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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Grundlagen der Hexenprozesse 20<br />

sche Personalmangel“ die Arbeitsfähigkeit des Gerichts stark ein. 93<br />

Die Kontrolle der Verfahren durch unparteiische Rechtskundige, Universitäten und höhere<br />

Gerichte, wie sie die Carolina durch die Aufforderung zum rath suchen vorgesehen<br />

hatte, funktionierte für die Hexenprozesse nur eingeschränkt: So wurde mancherorts der<br />

Rat Rechtskundiger erst gar nicht eingeholt oder die „unparteiischen“ Rechtskundigen<br />

waren zugleich auch Beschäftigte des Gerichts, das die Hexen verurteilte. 94 Andere Gerichte<br />

setzten sich über den Rat der Juristenfakultäten hinweg oder spielten verschiedene<br />

Juristenfakultäten gegeneinander aus. So ist es nicht erstaunlich, dass in Präambeln<br />

der territorialen und lokalen Gerichtsordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts immer<br />

wieder die Missstände in der Rechtspflege angeprangert werden. Wie der folgende Ausschnitt<br />

aus der Tecklenburgischen Landgerichtsordnung von 1696 zeigt, traten diese<br />

Missstände auch noch Ende des 17. Jahrhundert in den peinlichen Verfahren auf:<br />

Dieweil diese hochwichtige Sachen / welche deß Menschen Ehr / Leib und Leben / wie<br />

dann auch Guth belangen thun [gemeint sind peinliche Verfahren] / nicht wenig Fleiß und<br />

Bedacht vonn=hten / als in anderen BFrgerlichen H(ndeln / und aber durch b=se<br />

Gebr(uche / eingerissen / daß hierinnen bey nahe keine Ordnung gehalten / sondern ohne<br />

einig Nachdencken / tumultuarie und offtmahls nach ungef(hrlichen Guthachten und<br />

Affection des gemeinen unverst(ndigen Umbstandts procedirt und entweder zu<br />

peinlicher Frage oder Straff geschritten wird. 95<br />

Das Zitat verdeutlicht außerdem, dass die zunehmende Professionalisierung im Bereich<br />

der Justiz selbst am Ende des 17. Jahrhunderts noch nicht an allen Gerichten Auswirkungen<br />

zeigte und der Einsatz der Folter noch zum Teil recht willkürlich gehandhabt<br />

wurde.<br />

93<br />

94<br />

95<br />

Laufs 1976, 2. Augrund des Personalmangels konnten Prozesse wohl häufig nicht so schnell bearbeitet<br />

werden, wie es angesichts der kurzen Verfahrensdauer in den Hexenprozessen erforderlich gewesen<br />

wäre. Topalović führt beispielsweise ein Beispiel aus Osnabrück an, in dem das Verfahren erst<br />

nach der Hinrichtung der Angeklagten aufgenommen wurde und zwölf Jahre dauerte (vgl. ebd. 2003,<br />

25 [Anmerkungen]).<br />

Vgl. hierzu beispielsweise die Untersuchungen von Topalović (2003, 32–33) zu den Osnabrücker<br />

Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts. Lorenz zitiert ein Rechtsgutachten der Rostocker Juristenfakultät,<br />

demzufolge ein arm vnd schwaches Weib vnd zwar ohn eingeholeten rath der Rechtsgelarten<br />

zweier zum dritten Mal gefoltert wird (Gutachten der Rostocker Juristenfakultät Nr. 59 im SS 1621,<br />

zit. n.: Lorenz 1982, 364).<br />

Tecklenburgische Landgerichtsordnung 1696, 34.

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