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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Schlussbetrachtung 92<br />

VI Schlussbetrachtung<br />

Insgesamt hat die vorausgegangene Untersuchung gezeigt, dass die historischen Entstehungsbedingungen<br />

die Ausprägungen frühneuzeitlicher Hexereiverhörprotokolle auf<br />

vielfältige Weise geprägt und die in verschiedenen Untersuchungen festgestellte Heterogenität<br />

der Texte begünstigt haben. An dieser Stelle sollen noch einmal kurz die wichtigsten<br />

Faktoren resümiert werden:<br />

Betrachtet man zunächst einmal die zeitgenössischen Vorschriften zur Protokollführung,<br />

so wurde festgestellt, dass sich einige Grundvorstellungen durchaus mit heutigen<br />

Bestimmungen decken: Dazu zählt unter anderem, dass die akustische und visuelle Sinneswahrnehmung<br />

des Protokollanten als Grundlage der Mitschrift betrachtet wurde sowie<br />

die Vorschrift, dass im Protokoll nur verzeich<strong>net</strong> werden durfte, was während des<br />

Verhörs (also nicht davor oder danach) geschah. Auch in der Frühen Neuzeit wurde der<br />

zusammenfassende Bericht als nicht angemessene Wiedergabe betrachtet. Vielmehr<br />

sollte der Verhandlungsablauf mittels einer separaten Verzeichnung der einzelnen Antworten<br />

nachvollziehbar gemacht werden. Im Unterschied zu modernen Vorstellungen<br />

ging es dabei aber nicht um die Abbildung des realen Verhörablaufes. Vielmehr sollten<br />

die Aussagen im Protokoll zu Antwortartikeln zusammengestellt werden, die – zum Teil<br />

numerisch – den Artikeln des vor der Verhandlung aufgestellten Fragenkatalogs zugeord<strong>net</strong><br />

wurden. Durch die Orientierung an diesem starren Artikelschema wurde die<br />

kommunikative Wirklichkeit des Verhörs auch deshalb nur eingeschränkt dargestellt,<br />

weil Zwischenfragen, Bemerkungen von Gerichtsangehörigen oder andere Abweichungen<br />

vom vorformulierten Fragenkatalog praktisch nicht in die Wiedergabe integrierbar<br />

waren. Das Problem, dass die Schreiber die Artikelgliederung mit dem realen Ablauf<br />

der Verhöre vereinen mussten, ist eine der wichtigen Ursachen für die heterogenen<br />

Formen der Textorganisation, die in den überlieferten Protokollen nachzuweisen sind.<br />

Daneben ist der Anteil von Redewiedergaben der Gerichtsangehörigen sehr gering, was<br />

dadurch begünstigt wird, dass die zeitgenössischen Gerichtsordnungen solche Wiedergaben<br />

nicht ausdrücklich forderten. Hinzu kommt noch, dass ein zentraler Abschnitt<br />

vieler Prozesse, die Folter, ausdrücklich von der Protokollierung ausgenommen war.<br />

Somit lässt sich anhand der Protokolle nicht mehr prüfen, ob die Einzelheiten von Geständnissen<br />

beispielsweise auf verbotene Suggestivfragen zurückgehen und auch der<br />

Einfluss der Gerichtsangehörigen auf die Prozesse ist nicht mehr ablesbar.<br />

Während die zeitgenössischen Gesetze zum formalen Ablauf der Protokollführung oft

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