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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Grundlagen der Hexenprozesse 18<br />

Rechtsordnungen vorgenommen, die nach den Kursächsischen Konstitutionen entstanden<br />

sind. So heißt es etwa in der Osnabrücker Gerichtsordnung von 1618:<br />

Setzen, ordnen vnd wollen demnach hiermit, wofern [...] jemands wer [...] der [...]<br />

wissentlich mit dem Teuffel BFndtnuß gemacht, vnd durch dessen Getrieb vnd Eingeben<br />

entweder durch das Sieb, Cristallen, oder andere nichtswFrdige Mittel, Wahrzusagen oder<br />

zu Wicken, dergestalt Kranckheiten, an Menschen oder Viehe, zu curiren, oder sonsten mit<br />

dersolben Lehrmeister dem Teuffel vmbgehen, oder zuschaffen haben, ob dieselbe gleich<br />

niemand beschedigt, vnnachl(ssig mit dem Schwert vom Leben zum Todt gestraffet. 85<br />

Es ist unter anderem auch eine Folge der salvatorischen Klausel der Carolina, dass in<br />

der Frühen Neuzeit an einem Ort oft mehrere voneinander abweichende Rechtsquellen<br />

Gültigkeit hatten, deren Grundlagen in unterschiedlichen Anteilen gewohnheitsrechtliche,<br />

legistische und kanonische Rechtauffassungen bilden. Dabei ist eine zunehmende<br />

Ablösung der Gewohnheitsrechte durch die gelehrten Rechte zu beobachten, wobei vor<br />

allem im 17. Jahrhundert mit dem Usus modernus auch die aufgezeich<strong>net</strong>en Gewohnheitsrechte<br />

Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitung wurden. 86<br />

2.3 Rechtspflege in der Frühen Neuzeit<br />

Angesichts des dargestellten Pluralismus von Rechtsquellen in der Frühen Neuzeit war<br />

die Bedeutung der einzelnen Rechtsauffassungen in starkem Maße von der Umsetzung<br />

durch die Institutionen der Rechtspflege abhängig. Für die Hexenprozesse war seit der<br />

Mitte des 16. Jahrhunderts in der Regel die weltliche Strafgerichtsbarkeit zuständig, 87<br />

wenn auch der Klerus entsprechend der Vorstellung vom crimen mixtum vielfach noch<br />

erheblichen Einfluss auf die Verfolgung nahm. 88 Ähnlich wie in der Gesetzgebung blieb<br />

die Lage im Bereich der Rechtspflege im 16. und 17. Jahrhundert unübersichtlich und<br />

sehr uneinheitlich. Die schwache politische Zentralgewalt begünstigte die Autonomiebestrebungen<br />

auch kleiner und kleinster Territorien. 89 In den Territorien existierten –<br />

wie zeitgenössische Quellen belegen – unzählige verschieden Formen der Gerichtsbarkeit,<br />

deren Zuständigkeit, Organisation und Verfahrensabläufe sich heute vielfach nicht<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

Codex Constitutionum Osnabrugensium 1783, 1390, zit. n.: Topalović 2003, 32.<br />

Zum Usus modernus vgl. Meder 2005, 232–237.<br />

Vgl. Behringer 1987, 223.<br />

Die indirekte Beteiligung des Klerus an der Hexenverfolgung hebt beispielsweise Levack hervor: „Im<br />

16. und 17. Jahrhundert drängte der Klerus die Behörden oft, schärfer gegen Hexen vorzugehen; er<br />

half bei der Ergreifung Verdächtiger und nutzte die Kanzel, um zur Hexenjagd aufzurufen“ (Levack<br />

1999, 93).<br />

Schmidt (2003, 20) geht beispielsweise von „über 1300 mehr oder weniger selbständigen Territorien<br />

des Alten Reichs“ aus.

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