„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Von Schreibern und Kanzleien 60<br />
und 6,3%. 271 Betrachtet man die Protokolle separat, so fällt auf, dass nicht nur im Umfang,<br />
sondern auch in der Art der Lateinverwendung erhebliche Unterschiede bestehen:<br />
In nur einem Protokoll (Celle 1750) wird das Lateinische ausschließlich zur Datierung<br />
benutzt. Der Rest der Protokolle enthält weitere Begriffe lateinischen Ursprungs, wobei<br />
eine besondere Häufung folgender Phänomene auffällt: In einem Drittel aller Protokolle<br />
werden die gegliederten Fragen beziehungsweise Antworten als articul bezeich<strong>net</strong>; e-<br />
benfalls in einem Drittel die Untersuchung als examen. 272 In immerhin acht Protokollen<br />
erfolgt die Zuordnung der Antwort- zu den Frageartikeln mittels der Präposition ad.<br />
Auch die lateinischen Begriffe für Folter und Geständnis finden sich vergleichsweise oft<br />
(tortur in 13 und confessio in sechs Protokollen). Die Verbindung von Sätzen erfolgt in<br />
15 Protokollen mittels item, wobei in einzelnen Protokollen ein starke Häufung dieses<br />
Begriffs festzustellen ist (im Protokoll aus Friedberg von 1620 wird item beispielsweise<br />
immerhin gleich 48 Mal verwendet). Darüber hinaus hat das Lateinische eine wichtige<br />
Gliederungsfunktion: In der Hälfte aller Protokolle erleichtert der Schreiber die schnelle<br />
Orientierung durch lateinische Stichwörter (zum Beispiel: confessio) oder Hervorhebungen<br />
(vor allem nota bene) in der Marginalspalte. 273 Längere Versatzstücke, also lateinische<br />
Teilsätze oder sogar Sätze, weisen daneben ungefähr die Hälfte der untersuchten<br />
Protokolle auf. Viele dieser Versatzstücke haben den Charakter von häufiger gebrauchten<br />
Formeln (zum Beispiel: inquisitional articul contra) und treten vor allem in<br />
den einleitenden und abschließenden Passagen sowie in den Überleitungen auf. Insgesamt<br />
ist bei den Teilsätzen und Sätzen festzustellen, dass es hier keine wörtlichen Übereinstimmungen<br />
zwischen den Protokollen gibt. Diese erheblichen Unterschiede in der<br />
Lateinverwendung, die von Datierungsformeln bis hin zu lateinischen Teilsätzen oder<br />
Sätzen reicht, wird erst verständlich, wenn man sie in Kontext zu den Entstehungsbedingungen<br />
der Protokolle setzt: Zunächst einmal muss man von sehr unterschiedlichen<br />
Lateinkenntnissen bei den Protokollführern ausgehen, da es – wie gezeigt werden konnte<br />
– keine verbindliche Ausbildung für die Schreiber gab. Die Unterschiede werden<br />
271 Bei der Zählung der lateinischen Fremd- und Lehnwörter wurden die Protokolle jeweils in der vollen<br />
Länge berücksichtigt, in der sie in der zugrunde liegenden Edition (Macha [et al.] 2005) abgedruckt<br />
sind. Der Lateinanteil liegt etwas über dem, den Macha (1991, 56) bei seiner Untersuchung der Kölner<br />
Turmbücher festgestellt hat (hier lag der Anteil der Wörter lateinischen Ursprungs zwischen 0,5<br />
und 1,9 %). Insbesondere ergaben sich bei den untersuchten Hexereiverhörprotokollen erheblich größere<br />
Unterschiede im Umfang der Lateinverwendung zwischen den einzelnen Protokollen.<br />
272 Bei der Zählung wurden jeweils auch die entsprechenden Verbformen berücksichtigt. So wurde zum<br />
Beispiel bei examen auch die Form examinieren mitgezählt.<br />
273 Topalović (2003, 85) spricht im Zusammenhang mit ihren Untersuchungen der Osnabrücker Verhörprotokolle<br />
von „Randbemerkungen mit Registerfunktion, die den Schreibern das Auffinden bestimmter<br />
Sachverhalte erleichterte.“