„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Grundlagen der Hexenprozesse 5<br />
Bis zum Zeitalter der Aufklärung war für einen großen Teil der Bevölkerung Europas die<br />
Welt erfüllt von Zauber und Gegenzauber, schwarzer und weißer Magie. Ihre<br />
Allgegenwart prägte den Alltag des einfachen Volkes und lange auch eines Teils der<br />
gesellschaftlichen Oberschichten. 17<br />
Magie und Zauberei wurden als übernatürliche Kräfte betrachtet, mit deren Hilfe in das<br />
Leben der Menschen eingegriffen werden konnte – und dies sowohl im positiven wie im<br />
negativen Sinn: So sollten mit weißer Magie beispielsweise Krankheiten geheilt werden,<br />
während ein Schadenszauber nach landläufiger Meinung Unwetter, Krankheiten,<br />
Tod und materielle Schäden hervorrufen konnte. Der Glaube an übernatürliche Kräfte<br />
stand im Widerspruch zur christlichen Lehre mit ihrer monotheistischen Gottesvorstellung.<br />
In der frühchristlichen Kirche fand jedoch keine klare Abgrenzung zur Volksmagie<br />
statt, was sicher auch darin begründet lag, dass diese ein fester Bestandteil des<br />
Weltbilds war. Vielmehr gibt es nach Meinung verschiedener Forscher sogar Beispiele<br />
dafür, dass heidnische Vorstellungen teilweise übernommen und im christlichen Sinne<br />
umgedeutet wurden, um die Bekehrung zu vereinfachen. 18 Den Grundstein für den<br />
scharfen Gegensatz zwischen christlicher Lehre und Volksmagie im Mittelalter legte<br />
vor allem Augustinus (354-430) mit seiner Lehre vom Dämonenpakt. In seinem Werk<br />
De doctrina christiana schreibt er vor allem auch mit Bezug auf die Volksmagie:<br />
Also sind alle derartigen Künste eines nichtigen oder schädlichen Aberglaubens aufgrund<br />
einer verderblichen Gemeinschaft von Menschen und Dämonen als gleichsam Pakte einer<br />
treulosen und hinterlistigen Freundschaft zutiefst zurückzuweisen und zu meiden; ‚nicht<br />
weil’ – wie der Apostel sagt – ‚das Götzenbild (wirklich) etwas sei, sondern weil man, was<br />
man opfert, den Dämonen opfert und nicht Gott.’ 19<br />
Die eigentliche Sünde liegt nach Augustinus also nicht im Schadenszauber, der seiner<br />
Meinung nach ebenso wenig Wirksamkeit besitzt wie die weiße Magie, sondern vielmehr<br />
in der Abwendung von Gott durch den Dämonenpakt. Die Lehre vom Dämonenpakt<br />
ist nach Meinung der Forschung eine der wichtigen Grundlagen für die Entwicklung<br />
der so genannten „kumulativen Hexenlehre“ der Frühen Neuzeit. 20 So wurde bei<br />
den Ketzerverfolgungen im Mittelalter die Vorstellung vom Dämonenpakt mit den Ketzern<br />
verbunden, wodurch das Bild von regelrechten Sekten entstand, denen man nächt-<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
Behringer 2000, 195.<br />
Als Beispiel für die Übernahme des magischen Heilszaubers führt Behringer (2000, 12) beispielsweise<br />
den Glauben an die Schutzwirkung von Heiligen an.<br />
Augustinus, De doctrina christiana II, 30–40, zit. n.: Götz 1988, 72.<br />
Eine grundlegende Untersuchung zur Entwicklung der Hexenlehre wurde bereits 1900 von Hansen<br />
(1964 [1900], 1-36) vorgelegt, deren Ergebnisse auch in der neueren Forschung immer wieder aufgegriffen<br />
werden. Vgl. etwa Schormann 1996, 30–34.