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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 55<br />

dung voraussetzt, 248 scheint es im 16. und 17. Jahrhundert keine verbindlichen Vorschriften<br />

für die praktische Ausbildung gegeben zu haben: So enthalten weder die Gerichtsordnungen<br />

noch die Reichsnotariatsordnung hierzu genauere Bestimmungen. 249<br />

Offenbar hatte sich auch für die Schreiber, die ein abgebrochenes oder auch abgeschlossenes<br />

Studium vorweisen konnten, zu dieser Zeit keine spezielle Ausbildungsform etabliert.<br />

Vielmehr muss man wohl für diese Schreiber annehmen, dass sie – wie andere<br />

Kanzleibeamte – die notwendigen praktischen Kenntnisse meist durch eine Lehrzeit in<br />

einer Kanzlei oder bei anderen Stadtschreibern erlangten. 250 Ein Selbststudium anhand<br />

von Formelbüchern, wie es Schuler beispielsweise für den Schulmeister Caspar Heininger<br />

nachgewiesen hat, scheint dagegen eher die Ausnahme gewesen zu sein. 251 Vielmehr<br />

muss man die juristische Hilfsliteratur in der Regel wohl eher als „begleitende[s]<br />

Hilfsmittel“ zur praktischen Ausbildung in einer Kanzlei betrachten. 252 Wenn die praktische<br />

Ausbildung der Schreiber aber mehr oder weniger ungeregelt und unkontrolliert<br />

von den Kanzleien und anderen Schreibern übernommen wurde, hat dies erhebliche<br />

Auswirkungen auf die Verhörprotokolle: Zum einen muss man annehmen, dass die<br />

Qualifikation der so ausgebildeten Schreiber je nach Ausbildungsstätte recht unterschiedlich<br />

war, was sich in den Qualitätsunterschieden der Protokolle bemerkbar<br />

macht. 253 Zum anderen bedeutet dies eine teilweise Abkopplung vom gelehrten Recht<br />

und den darauf beruhenden Idealvorstellungen von der Protokollführung, wie sie beispielsweise<br />

in der Reichsnotariatsordnung manifestiert sind. Stattdessen haben mit örtlichen<br />

Traditionen und der Erfahrung der Ausbilder zwei Elemente ein größeres Gewicht,<br />

die vom Charakter eher an die Tradition der mündlich überlieferten, nur lokal gültigen<br />

Gewohnheitsrechte anknüpfen. Zugleich wird damit die vereinheitlichende Wirkung der<br />

wissenschaftlichen Bearbeitung des Rechts teilweise aufgehoben. Entsprechend der<br />

248 Vgl. Hendrix/Reiss 2000, 5f.<br />

249 Vor allem in Italien gab es dagegen schon Ende des 15. Jahrhunderts genaue Vorschriften zur Ausbildung<br />

von Schreibern, die den Notarstitel tragen wollten. Schuler schreibt: <strong>„Die</strong> Bologneser Statuten<br />

von 1458 fordern neben der Prüfung den Nachweis eines fünfjährigen Studiums in grammatica und<br />

ein zweijähriges in documentis notariae vel juris canonici vel civilis.“ (Schuler 1976, 100, dort mit<br />

weiteren Belegen).<br />

250 Vgl. beispielsweise Gloning 1996, 256.<br />

251 Vgl. Schuler 1976, 107.<br />

252 Gloning 1996, 256.<br />

253 Die Carolina versucht der mangelnden Qualifikation vieler Schreiber dadurch zu begegnen, dass auch<br />

diese ausdrücklich zum radtsuchen aufgefordert werden: Item welcher gerichtsschreiber auß dieser<br />

vorigen anzeygung mit [gemeint ist wohl „nit“] genugsamen verstand vernehmen möchte, wie er darauß<br />

eyn jeden gantzen gerichts händel oder vrtheil formen solt, der soll erstlich vorgemelt sein oberkeyt<br />

vmb erklerung ansuchen, vnd wo aber vorgemelt oberkeyt auch nit gnugsamen vertandt hett, so<br />

sollen sie bey andern verstendigen radtsuchen (Schroeder 2000, 118 [Art. 203]).

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