„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Zum frühneuzeitlichen Protokollbegriff 34<br />
druck des zunehmenden Selbstbewusstseins der Einzelterritorien sowie der Städte, die<br />
die Gerichtsgewalt oft faktisch von den Territorialherren übernommen hatten. 159 Entsprechend<br />
der starken politischen Zersplitterung waren in den deutschen Territorien die<br />
Gerichtsordnungen der Frühen Neuzeit – ähnlich wie die Gerichte selbst – durch eine<br />
starke Heterogenität gekennzeich<strong>net</strong>, was bereits an der Vielzahl der überlieferten Bezeichnungen<br />
deutlich wird. 160 Eine umfassende Untersuchung, die die Bestimmungen<br />
der verschiedenen überlieferten Gerichtsordnungen systematisch auf inhaltlicher und<br />
sprachlicher Ebene vergleicht, steht bislang noch aus. Da eine solche Untersuchung den<br />
Umfang dieser Arbeit bei weitem übersteigen würde, wird sich die folgende Darstellung<br />
darauf beschränken, Vorschriften zur Protokollführung anhand einer beschränkten Zahl<br />
von Gerichtsordnungen exemplarisch vorzuführen. 161 Dabei sollen insbesondere die<br />
Übereinstimmungen und Unterschiede zu Bestimmungen der zuvor untersuchten<br />
reichsweiten Ordnungen festgestellt werden.<br />
Grundsätzlich wird vor allem für peinliche Verfahren in den untersuchten Gerichtsordnungen<br />
immer wieder auf die Carolina verwiesen. So heißt es beispielsweise im Kapitel<br />
Peinlich Hals-Gerichts-Ordnung der Tecklenburgischen Landgerichtsordnung von<br />
1696:<br />
Wann nun der Gefangener die Missthat gestehet oder genugsam Fberwiesen ist, soll ein<br />
endlicher Rechts-Tag fFrderlich ernen<strong>net</strong> / dem Gefangenen dren Tag zuvor angemeldet /<br />
und sonsten wie gebreuchlich verkFndet werden / ehe und zuvor man aber zu Gericht komt<br />
/ sollen unsere Richter und seine Chur-Genossen alle ergangene Handlung fleissig<br />
durchlesen / auch die Urtheil nach Form der Kayserl. Hals-Gerichts-Ordnung in 192.<br />
Articul durch den Gerichtsschreiber verfassen lassen. 162<br />
Auffällig ist, dass die Anwendung der Carolina hier ausdrücklich für die Formulierung<br />
des Urteils verlangt wird, nicht aber für die Voruntersuchung. Dies steht im Widerspruch<br />
zur Bedeutung der Voruntersuchung, denn diese musste das für die Urteilsfindung<br />
entscheidende Geständnis des Angeklagten liefern. Somit scheint die Berufung auf<br />
die Carolina eher formalen Charakter zu haben. Insbesondere im Hinblick auf die mögliche<br />
Überprüfung des Urteils durch Rechtsfakultäten war der Verweis jedoch offenbar<br />
von erheblicher Bedeutung. So wird beispielsweise in einem Rechtsgutachten zu einem<br />
159 Vgl. dazu auch Eisenhardt 1995, 109.<br />
160 Beispielhaft seien nur Land-, Malefiz-, Prozeß- und Gerichtsordnungen sowie Gemeine Ordnungen<br />
genannt.<br />
161 In die Untersuchung einbezogen wurden neun territoriale und städtische Gerichtsordnungen (vgl. die<br />
Auflistung auf Seite 105).<br />
162 Tecklenburgische Landgerichtsordnung 1696, 34.