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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 61<br />

auch dadurch begünstigt, dass nur in sehr wenigen zeitgenössischen Gerichtsordnungen<br />

Lateinkenntnisse ausdrücklich als Einstellungsvoraussetzungen für Schreiber genannt<br />

werden. Wenn solche Kenntnisse verlangt werden, hat dies zudem oft eher fakultativen<br />

Charakter, wie das folgende Zitat aus dem Landrecht der Markgrafschaften Baden und<br />

Hochberg zeigt:<br />

Dieweil aber bey solchen Schreibereyen zu mehrmaln allerhand Lateinische Wort vnd<br />

termini fFrfallen / Soll man zum vierdten / dahin trachten / daß / wo m=glich / zu solchen<br />

Verrichtungen angenommen werden / welche der Lateinischen Sprach etlicher massen ein<br />

wissenschaft haben. 274<br />

Somit muss man davon ausgehen, dass bei vielen Schreibern der lateinische Wortschatz<br />

auf einzelne, für die praktische Tätigkeit erforderliche Termini und Formeln begrenzt<br />

war, die sie sich während ihrer Ausbildung in der Kanzlei angeeig<strong>net</strong> hatten. In vielen<br />

Protokollen spiegelt sich diese Tatsache dadurch wieder, dass nur eine geringe Anzahl<br />

unterschiedlicher lateinischer Begriffe verwendet wird. 275 Die Tatsache, dass Wörter<br />

wie articul, confessio oder tortur in zahlreichen Protokollen aus verschiedenen Orten<br />

auftreten, weist darauf hin, dass hier bereits eine überregionale Vereinheitlichung stattgefunden<br />

hat, für die sicher auch die Wortverzeichnisse und Formulare der weit verbreiteten<br />

juristischen Hilfsliteratur eine wichtige Grundlage darstellten. 276 Bei den lateinischen<br />

Teilsätzen und Sätzen lassen sich zwar keine wörtlichen Übereinstimmungen<br />

nachweisen, es ist aber wahrscheinlich, dass diese häufig auf Vorlagen basierten. 277 Nur<br />

bei Schreibern mit umfangreichen Lateinkenntnissen scheint es nämlich vorstellbar,<br />

dass sie Sätze oder sogar ganze Protokollteile jenseits von bekannten formelhaften lateinischen<br />

Versatzstücken und lokalen Kanzleitraditionen ins Lateinische übertrugen.<br />

Fest annehmen lassen sich solche Lateinkenntnisse vor allem für zwei Gruppen von<br />

Schreibern: Auf der einen Seite waren dies die Schreiber, die ein rechtswissenschaftliches<br />

Studium abgeschlossen hatten. Die zu dieser Zeit in den Rechtswissenschaften<br />

übliche Auseinandersetzung mit den römischen Originalquellen machte umfassende<br />

Lateinkenntnisse unbedingt erforderlich. Auf der anderen Seite sind umfangreiche Lateinkenntnisse<br />

aber auch bei den Schreibern zu erwarten, die zuvor als Schulrektoren<br />

274 Landrecht und Ordnung der Markgrafschaften Baden und Hochberg 1622, 34.<br />

275 Der quantitative Anteil lateinischer Fremd- und Lehnwörter ist in diesen Protokollen zum Teil trotzdem<br />

beträchtlich, da die Begriffe häufig wiederholt werden.<br />

276 Hier bot die Hilfsliteratur oft regelrechte Wortverzeichnisse. Vgl. Müller 2001, 20.<br />

277 Hier spielen insbesondere auch lokale Schreibtraditionen eine Rolle, deren Bedeutung in verschiedenen<br />

kleinräumigen Studien nachgegangen wurde (vgl. zum Beispiel für Osnabrück Topalović 2003).

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