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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 56<br />

geringen Bedeutung der Rechtswissenschaft für die praktische Ausbildung der Schreiber<br />

stellt das universitäre Studium keine zentrale Voraussetzung für die Schreibertätigkeit<br />

dar. So heißt es etwa im ersten Artikel der Carolina:<br />

Jtem erstlich: setzen: ordnen vnnd wöllen wir, daß alle peinlich gericht mit Richtern,<br />

vrtheylern vnd gerichtßschreibern, versehen vnd besetzt werden sollen, von frommen,<br />

erbarn, verstendigen vnd erfarnen personen, so tugentlichst vnd best die selbigen nach<br />

gelegenheyt jedes orts gehabt vnd zubekommen sein. Darzu auch Edeln vnnd gelerten<br />

gebraucht werden mögen. 254<br />

Neben den guten Charaktereigenschaften, die ja – wie bereits dargestellt – eine zentrale<br />

Rolle für die Glaubwürdigkeit der Protokolle spielen, wird hier die nicht genauer definierte<br />

praktische Erfahrung der Schreiber (erfarnen personen) als wichtigste Voraussetzung<br />

für die Tätigkeit der Gerichtsschreiber genannt. Die wissenschaftliche Ausbildung<br />

hat dagegen eher fakultativen Charakter (Darzu auch Edeln vnnd gelerten gebraucht<br />

werden mögen). Auch nach verschiedenen Gerichtsordnungen des 17. Jahrhunderts<br />

stellt die universitäre Ausbildung keine zentrale Einstellungsvoraussetzung dar. So werden<br />

beispielsweise im Landrecht der Markgrafschaften Baden und Hochberg zunächst<br />

die Anforderungen an Charakter, Herkunft und Religionszugehörigkeit aufgezählt. Erst<br />

der dritte Punkt nennt die folgenden Anforderungen an die Ausbildung:<br />

Zum dritten / w=llen Wir / daß ein solcher in der Schreiberen geFbt seye / vnd inn den<br />

Verrichtungen / die zu diesem handel geh=rig / als da seind rechtliche Proceß / Contract /<br />

letster Willen / Rechnungen / vñ was disen weiter anhangt / einen rechten notwendigen<br />

Verstand habe / damit er in solchen vnd andern fFrfallenden puncten jederzeit / zur<br />

genFge gefasst seye / auch sonsten das jenige / was zu außfertigung der Supplicationen /<br />

Missiven / Berichten / vnnd anderm mehr von n=hten ist / verstehe vnd verrichten k=nne.<br />

[...] Jedoch soll man zu allervorderst vnd zum fFnften / dahin sehen / daß solche Personen<br />

/ die sich zu Ampt: Statt: Gerichtschreibern gebrauchen zulassen begeren / vnser<br />

Landrecht / auch Lands: vnd alle andere Ordnung: vnd Satzungen gelesen / vnnd deren /<br />

wie auch all anderer l=blichen /inn unserm Land gewohnlichen gebrauch dermassen<br />

bericht seyen / daß sie vmb so viel desto besser in allen fFrfallenden sachen vnnd<br />

Handlungen / sich solches vnsers Landrechtens / Ordnungen vnnd Gewonheiten gem(ß /<br />

zuverhalten wissen / vnnd nichts / so denselben entgegen laufft / auß unwissenheit<br />

verhandeln / oder Schriftlich außfertigen. 255<br />

Wiederum steht hier die praktische Erfahrung im Mittelpunkt, während das Lesen der<br />

gesetzlichen Verordnungen als ausreichende juristische Ausbildung betrachtet wird.<br />

Dies ist umso erstaunlicher, als die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der protokollierten<br />

Verfahren ausdrücklich als Aufgabe der Schreiber genannt wird.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass die Auswirkungen der Professionalisierung der Justiz auf die<br />

254 Schroeder 2000 [1532], 23 [Art. 1].<br />

255 Landrecht und Ordnung der Markgrafschaften Baden und Hochberg 1622, 34f.

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