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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Einleitung 1<br />

I<br />

Einleitung<br />

In den letzten Jahren sind Verhörprotokolle aus dem 16. und 17. Jahrhundert zunehmend<br />

als Quellenmaterial sprachhistorischer Untersuchungen in den Fokus der Forschung<br />

geraten. Beispielhaft seien an dieser Stelle nur die Arbeiten zum Schreibsprachenwandel<br />

(Macha 1991) und zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit<br />

(A. Mihm 1995, Rösler 1997, Nolting 2002) genannt. Die auffallende Heterogenität der<br />

untersuchten Texte hat den Blick vor allem auch auf die Bedeutung sprachexterner Faktoren<br />

gelenkt. 1 Bei den Verhörprotokollen als „im juristischen Verfahren zu juristischen<br />

Zwecken gestaltete[n] (überformte[n]) Texte[n]“ 2 stand insbesondere die Abhängigkeit<br />

zur juristischen Sphäre im Vordergrund. So konnte gezeigt werden, dass die sprachliche<br />

Ausprägung der unter dem Oberbegriff „Verhörprotokolle“ versammelten Texte wesentlich<br />

beeinflusst wurde von den Institutionen, an denen sie entstanden sind, von ihrer<br />

juristischen Funktion sowie von den jeweiligen Adressaten. 3 Daneben wurde auch verschiedentlich<br />

die Bedeutung der soziokulturellen Hintergründe der Textproduzenten<br />

hervorgehoben. 4 Für die Hexereiverhörprotokolle, die Gegenstand der folgenden Untersuchung<br />

sind, konnte vor allem der Einfluss der Hexenlehre auf die sprachliche Gestaltung<br />

gezeigt werden. 5<br />

Trotz der offenkundigen Bedeutung sprachexterner Faktoren fehlt bislang eine systematische<br />

Gegenüberstellung von historischen Entstehungsbedingungen und den Ausprägungen<br />

überlieferter Protokolle auch in überregionaler Perspektive. Insbesondere wurden<br />

auch der zeitgenössische Protokollbegriff sowie die Vorschriften zur Protokollführung<br />

nur in eingeschränktem Maße rekonstruiert, weshalb bei Analysen von überlieferten<br />

Protokollen häufig auf moderne Vorstellungen zurückgegriffen werden muss. 6 Die<br />

Gegenüberstellung könnte bei der Beantwortung der bislang weitgehend ungeklärten<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Zur Bedeutung der Pragmatik für die Sprachgeschichtsforschung vgl. etwa Cherubim 1984, 802–815.<br />

Busse 2000, 668.<br />

Vgl. Mihm 1995, 25f. und insbesondere Topalović 2003, 202f.<br />

So schreibt beispielsweise Macha im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zu den Kölner<br />

Turmbüchern: <strong>„Die</strong> ‚Verortung’ der Gerichtsschreiber sowohl in lokal/regionaler als auch in sozialer<br />

Perspektive spielt für die Beurteilung ihrer schreibsprachlichen Produkte eine wichtige Rolle“ (ebd.<br />

1991, 38).<br />

Vgl. beispielsweise Topalović 2004, 69–86.<br />

So wird beispielsweise in keiner Untersuchung die Reichsnotariatsordnung in die Rekonstruktion<br />

einbezogen, obwohl die Forschung davon ausgeht, dass die Notare zunehmend zur Protokollierung<br />

von Hexenprozessen herangezogen wurden. Auch zu grundlegenden Fragen wie der Beweiskraft und<br />

den Bedingungen für die Gültigkeit von Protokollen gibt es keine systematische Darstellung.

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