27.04.2014 Aufrufe

Abschlussbericht der Enquete- Kommission 5/2 - Landtag ...

Abschlussbericht der Enquete- Kommission 5/2 - Landtag ...

Abschlussbericht der Enquete- Kommission 5/2 - Landtag ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

wohlbelange erfolgt indes in einem mehrfach<br />

abgestuften System mit einer Zunahme an Prüfungsdichte,<br />

je mehr sich <strong>der</strong> Gesetzgeber <strong>der</strong><br />

konkreten Zuordnungsentscheidung nähert. 141<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> konkreten Abwägungsentscheidung<br />

hat <strong>der</strong> Gesetzgeber alle[!] objektiv<br />

ermittelbaren historischen, geografischen,<br />

sozio-kulturellen Aspekte, insbeson<strong>der</strong>e Verflechtungsbeziehungen<br />

zwischen den bislang<br />

selbständigen Kommunalkörperschaften zu<br />

beachten. Werden wesentliche Gesichtspunkte<br />

übersehen, ist die gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung<br />

zwingend fehlerhaft, selbst<br />

wenn bei Beachtung des erheblichen Belanges<br />

keine an<strong>der</strong>e Entscheidung getroffen worden<br />

wäre. Die anzuhörenden Gemeinden und<br />

Gemeindeverbände sind allerdings gehalten,<br />

die einschlägigen – abwägungsrelevanten –<br />

Belange im Rahmen ihrer Anhörungen nicht zu<br />

verschweigen.<br />

Bereits aus dieser Logik können prozedurale<br />

Erfor<strong>der</strong>nisse an die Konkretisierung des öffentlichen<br />

Wohls abgeleitet werden: Wenn sich<br />

eine Landesregierung bereits im Entwurfsstadium<br />

auf ein bestimmtes Neuglie<strong>der</strong>ungskonzept<br />

festlegt, ohne dass dieses sodann durch den<br />

Gebietsreformgesetzgeber im Rahmen <strong>der</strong><br />

<strong>Landtag</strong>sberatungen überprüft wird, ohne dass<br />

m.a.W. alle relevanten örtlichen, überörtlichen<br />

und staatlichen Belange in eine differenzierende<br />

Interessenabwägung eingestellt werden, ist –<br />

wie bei dem ersten Versuch einer landesweiten<br />

Landkreisreform in Mecklenburg-Vorpommern<br />

(2007) – das Verdikt <strong>der</strong> Verfassungswidrigkeit<br />

unvermeidbar: Der mecklenburg-vorpommerische<br />

<strong>Landtag</strong> hatte sich auf <strong>der</strong> Grundlage des<br />

Regierungsentwurfs frühzeitig auf das verfassungslegitime<br />

Ziel kostengünstiger / effizienter<br />

Kommunalverwaltungen, einseitig anknüpfend<br />

an die Planungsregionen und das Prinzip <strong>der</strong><br />

Einräumigkeit <strong>der</strong> Verwaltung festgelegt, ohne<br />

141<br />

Beson<strong>der</strong>s deutlich in diesem Sinne das mutatis mutandis fortgeschriebene<br />

3-Stufenmodell des ThürVerfGH, VerfGH 2/95;<br />

VerfGH 6/95, NVwZ-RR 1997, 639ff, LKV 1997, 413, LS; NVwZ-<br />

RR 1999, 55 f.; hierzu ausführlich Gebhardt, Ihno (2007): Das<br />

kommunale Selbstverwaltungsrecht. Verfassungsrechtliche<br />

Maßstäbe und verfassungsgerichtliche Maßstabsbildung für<br />

kommunale Gebietsreformen, staatliche Aufgabenverlagerungen<br />

und Ausgestaltungen des kommunalen Finanzausgleichs.<br />

Baden-Baden: Nomos, S. 77 ff., mit zahlreichen Nachweisen.<br />

die partizipatorisch-demokratische Komponenten<br />

<strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung und<br />

an<strong>der</strong>e, weniger schwer belastende Neuglie<strong>der</strong>ungs-<br />

und auch Kooperationsvarianten in<br />

einem <strong>der</strong> Entscheidung vorgelagerten Abwägungsprozess<br />

zu untersuchen. Die einseitige<br />

und frühzeitige – abwägungsfreie – Vorfestlegung<br />

eines Reformgesetzgebers auf eine<br />

Landkreisstruktur, die sich allein an raumordnerischen,<br />

Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten<br />

und solchen <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong><br />

künftigen Landkreise orientiert, führt demgemäß<br />

zwingend zur Verfassungswidrigkeit <strong>der</strong><br />

Kreisneuordnung.<br />

V. Neuglie<strong>der</strong>ungsvarianten<br />

1. Regelungsoptionen und Grundannahmen<br />

Die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene<br />

gesetzgeberische Abwägungsentscheidung<br />

über die künftige Struktur und Fläche<br />

<strong>der</strong> brandenburgischen Landkreise setzt aus<br />

<strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache verschiedene rechtmäßige<br />

Regelungsoptionen voraus. Bereits aus<br />

diesem Grunde ist die <strong>Enquete</strong>-<strong>Kommission</strong><br />

aufgefor<strong>der</strong>t, verschiedene realistische Kreisneuglie<strong>der</strong>ungs-„Modelle“<br />

und <strong>der</strong>en Vor- und<br />

Nachteile gegenüberzustellen. Der Gesetzgeber<br />

ist gehalten, auf <strong>der</strong> Grundlage dieser und möglicherweise<br />

weiterer Modelle jene Funktionsund<br />

Leistungskontexte (die gegenwärtigen und<br />

künftigen Kreisaufgaben), sozio-ökonomische,<br />

kulturelle, historische und territoriale Aspekte zu<br />

ermitteln, die in ihren räumlichen Bezügen über<br />

die bestehende Gebietskulisse hinausweisen,<br />

um sich am Ende des Gesamtprozesses, also<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch nach Anhörung <strong>der</strong> von<br />

<strong>der</strong> Neuglie<strong>der</strong>ung betroffenen Gebietskörperschaften,<br />

für eine <strong>der</strong> verschiedenen Optionen<br />

zu entscheiden. Dabei liegt es in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong><br />

Sache, dass nicht alle positiven Aspekte in <strong>der</strong><br />

einen Neuglie<strong>der</strong>ungsvariante vereint sind, während<br />

sich negative Gesichtspunkte nur an einer<br />

an<strong>der</strong>en Strukturentscheidung festmachen lassen.<br />

Es ist m. a. W. die Aufgabe des <strong>Landtag</strong>es<br />

Brandenburg, die Neuglie<strong>der</strong>ungsentscheidung<br />

unter Hervorhebung <strong>der</strong> einen verfassungsrechtlich<br />

relevanten und tatsächlich beson<strong>der</strong>s<br />

Bericht 77

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!