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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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108 Wer ist Nietzsches Zarathustra?Wer ist Nietzsches Zarathustra? 109105ben ist »Der Genesende«, jenes Stück, das den Titel trägt: »Vonder großen Sehnsucht«. Mit diesem Stück, dem drittletzten desIII. Teils, erreicht das ganze Werk »Also sprach Zarathustra« seineGipfelhöhe. In einer Nachlaßaufzeichnung (XIV, 285) vermerktNietzsche:»Ein göttliches Leiden ist der Inhalt des III. Zarathustra.«In dem Stück »Von der großen Sehnsucht« spricht Zarathustramit seiner Seele. Nach der Lehre Platons, die für die abendländischeMetaphysik maßgebend wurde, beruht im Selbstgesprächchen. Sie ist die unerschöpfliche Fülle des freudig-schmerzlichenLebens. Darauf geht »die große Sehnsucht« des Lehrers der ewigenWiederkunft des Gleichen.Darum heißt »die große Sehnsucht« im selben Stück auch »dieSehnsucht der Über-Fülle«.»Die große Sehnsucht« lebt am meisten aus dem, woraus sieden einzigen Trost, d. h. die Zuversicht schöpft. An die Stelle desälteren Wortes »Trost« (dazu: trauen, zutrauen) ist in unsererSprache das Wort »Hoffnung« getreten. »Die große Sehnsucht«106der Seele mit sich selbst das Wesen des Denkens. Es ist der λóγος,stimmt <strong>und</strong> bestimmt den von ihr beseelten Zarathustra in seineόν αύτη προς αΰτήν ή ψυχή διεξέρχεται περί ών άν σκοπή : das sa- »größte Hoffnung«.gende Sichsammeln, das die Seele selbst auf dem Weg zu sichWas aber berechtigt <strong>und</strong> führt ihn zu dieser?selbst durchgeht, im Umkreis dessen, was je sie erblickt (Theaetet189 e; vgl. Sophistes 263 e).menschen <strong>und</strong> ihn im Hinübergehen weggehen läßt vom bishe-Welches ist die Brücke, die ihn hinübergehen läßt zum Über-Zarathustra denkt im Gespräch mit seiner Seele seinen »abgründlichstenGedanken« (Der Genesende, n. 1; vgl. III. VomEs liegt im eigentümlichen Bau des Werkes »Also sprach ZararigenMenschen, so daß er sich von ihm lösen kann?Gesicht <strong>und</strong> Rätsel, n. 2). Das Stück »Von der großen Sehnsucht«thustra«, das den Übergang des Hinübergehenden zeigen soll,beginnt Zarathustra mit den Worten:daß die Antwort auf die soeben gestellte Frage im vorbereitenden»Oh meine Seele, ich lehrte dich ,Heute' sagen wie ,Einst' <strong>und</strong>IL Teil des Werkes gegeben wird. Hier läßt Nietzsche in dem,Ehemals' <strong>und</strong> über alles Hier <strong>und</strong> Da <strong>und</strong> Dort deinen ReigenStück »Von den Taranteln« Zarathustra sagen:hinweg tanzen.«»Denn daß der Mensch erlöst werde von der Rache: das ist mir dieDie drei Worte »Heute«, »Ehemals«, »Einst« sind groß geschrieben<strong>und</strong> stehen in Anführungszeichen. Sie nennen dieUnwettern.«Brücke zur höchsten Hoffnung <strong>und</strong> ein Regenbogen nach langenGr<strong>und</strong>züge der Zeit. Die Art, wie Zarathustra sie ausspricht, deutetauf jenes, was Zarathustra selber sich im Gr<strong>und</strong>e seines We-die man sich über die Philosophie Nietzsches zurecht gemachtWie seltsam <strong>und</strong> wie befremdlich für die gängige Meinung,sens fortan sagen muß. Und was ist dies? Daß »Einst« <strong>und</strong> »Ehemals«,Zukunft <strong>und</strong> Vergangenheit, wie das »Heute« sind. Daszu Gewaltpolitik <strong>und</strong> Krieg, zur Raserei der »blonden Bestie«?hat. Gilt Nietzsche nicht als der Antreiber zum Willen zur Macht,Heute aber ist wie das Vergangene <strong>und</strong> das Kommende. Alle dreiDie Worte »daß der Mensch erlöst werde von der Rache« sindPhasen der Zeit rücken zum Gleichen als das Gleiche in eine einzigeGegenwart zusammen, in ein ständiges letzt. Die Metaphy-die Erlösung vom Geist der Rache. Sein Denken möchte einemim Text sogar gesperrt gedruckt. Nietzsches Denken denkt aufsik nennt das stete Jetzt: die Ewigkeit. Auch Nietzsche denkt dieGeist dienen, der als Freiheit von der Rachsucht jeder bloßen Verbrüderungvoraufgeht, aber auch allem Nur-bestrafen-wollen, ei-drei Phasen der Zeit aus der Ewigkeit als stetem Jetzt. Aber dieStete beruht für ihn nicht in einem Stehen, sondern in einemnem Geist, der vor aller Friedensbemühung <strong>und</strong> vor jedem Betreibendes Krieges liegt, außerhalb eines Geistes, der die Pax,Wiederkehren des Gleichen. Zarathustra ist, wenn er seine Seelejenes Sagen lehrt, der Lehrer der ewigen Wiederkunft des Glei-den Frieden, durch Pakte begründen <strong>und</strong> sichern will. Der Raum

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