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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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200 »... dichterisch wohnet der Mensch...«sen ist das Dichterische des Wohnens. Dichten ist ein Messen.Doch was heißt Messen? Wir dürfen das Dichten, wenn es alsMessen gedacht werden soll, offenbar nicht in einer beliebigenVorstellung von Messen <strong>und</strong> Maß unterbringen.Das Dichten ist vermutlich ein ausgezeichnetes Messen. Mehrnoch. Vielleicht müssen wir den Satz: Dichten ist Messen in deranderen Betonung sprechen: Dichten ist Messen. Im Dichten ereignetsich, was alles Messen im Gr<strong>und</strong>e seines Wesens ist. Darumgilt es, auf den Gr<strong>und</strong>akt des Messens zu achten. Er bestehtdarin, daß überhaupt erst das Maß genommen wird, womit jeweilszu messen ist. Im Dichten ereignet sich das Nehmen 1 desMaßes. Das Dichten ist die im strengen Sinne des Wortes verstandeneMaß-Nahme, durch die der Mensch erst das Maß für dieWeite seines Wesens empfängt. Der Mensch west als der Sterbliche.So heißt er, weil er sterben kann. Sterbenkönnen heißt: denTod als Tod vermögen. Nur der Mensch stirbt - <strong>und</strong> zwar fortwährend,solange er auf dieser Erde weilt, solange er wohnt. SeinWohnen aber beruht im Dichterischen. Das Wesen des »Dichterischen«erblickt Hölderlin in der Maß-Nahme, durch die sich dieVermessung des Menschenwesens vollzieht.Doch wie wollen wir beweisen, daß Hölderlin das Wesen desDichtens als Maß-Nahme denkt? Wir brauchen hier nichts zu beweisen.Alles Beweisen ist immer nur ein nachträgliches Unternehmenauf dem Gr<strong>und</strong>e von Voraussetzungen. Je nachdem dieseangesetzt werden, läßt sich alles beweisen. Doch beachten können191 wir nur weniges. So genügt es denn, wenn wir auf das eigene Wortdes Dichters achten. In den folgenden Versen fragt nämlich Hölderlinallem zuvor <strong>und</strong> eigentlich nur nach dem Maß. Dies istdie" 1 Gottheit, womit der Mensch sich misset. Das Fragen beginntmit Vers 29 in den Worten: »Ist unbekannt Gott?« Offenbar nicht.Denn wäre er dies, wie könnte er als Unbekannter je das Maßsein? Doch - <strong>und</strong> dies gilt es jetzt zu hören <strong>und</strong> festzuhalten - Gott1in die Acht nehmen, an <strong>und</strong> hinnehmen im Sagen als Entsagenm durch den offenbaren Himmel verhüllte, fremde»... dichterisch wohnet der Mensch...« 201ist als der, der Er ist, unbekannt für Hölderlin, <strong>und</strong> als dieser Unbekannteist er gerade das Maß für den Dichter. Darum bestürztihn auch das erregende Fragen: wie kann, was seinem Wesen nachunbekannt bleibt, je zum Maß werden? Denn solches, womit derMensch sich misset, muß sich doch mit-teilen, muß erscheinen.Erscheint es aber, dann ist es bekannt. Der Gott ist jedoch unbekannt<strong>und</strong> ist dennoch das Maß. Nicht nur dies, sondern der unbekanntbleibende Gott muß, indem er sich zeigt als der, der Er ist,als der unbekannt Bleibende erscheinen. Die Offenbarkeit Gottes,nicht erst Er selbst, ist geheimnisvoll. Darum frägt der Dichtersogleich die nächste Frage: »Ist er offenbar wie der Himmel?«Hölderlin antwortet: »Dieses/glaub' ich eher.« nWeshalb, so fragen wir, neigt die Vermutung des Dichters dahin?Die unmittelbar anschließenden Worte antworten. Sie lautenknapp: »Des Menschen Maaß ist's.« Was ist das Maß für dasmenschliche Messen? Gott? Nein! Der Himmel? Nein! Die Offenbarkeitdes Himmels? Nein! Das Maß besteht in der Weise, wieder unbekannt bleibende Gott als dieser durch den Himmel offenbarist. Das Erscheinen des Gottes durch den Himmel bestehtin einem Enthüllen, das jenes sehen läßt, was sich verbirgt, abersehen läßt nicht dadurch, daß es das Verborgene aus seiner Verborgenheitherauszureißen sucht, sondern allein dadurch, daß esdas Verborgene in seinem Sichverbergen hütet. So erscheint derunbekannte Gott als der Unbekannte durch die Offenbarkeit desHimmels. Dieses Erscheinen ist das Maß, woran der Mensch sichmisset.Ein seltsames Maß, verwirrend, so scheint es, für das gewöhn- 192liche Vorstellen der Sterblichen, unbequem für das billige Allesverstehendes täglichen Meinens, das sich gern als das Richtmaßfür alles Denken <strong>und</strong> Besinnen behauptet.Ein seltsames Maß für das übliche <strong>und</strong> im besonderen auch füralles nur wissenschaftliche Vorstellen, in keinem Fall ein handgreiflicherStecken <strong>und</strong> Stab; aber in Wahrheit einfacher zu handndie Wolken des Himmels

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