13.07.2015 Aufrufe

Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

154 Bauen Wohnen DenkenBauen Wohnen Denken 155Inwiefern gehört das Bauen in das Wohnen?Die Antwort auf diese Frage erläutert uns, was das Bauen, ausdem Wesen des Wohnens gedacht, eigentlich ist. Wir beschränkenuns auf das Bauen im Sinne des Errichtens von Dingen <strong>und</strong>fragen: was ist ein gebautes Ding? Als Beispiel diene unseremNachdenken eine Brücke.Die Brücke schwingt sich »leicht <strong>und</strong> kräftig« über denStrom.” Sie verbindet nicht nur schon vorhandene Ufer. Im Übergangder Brücke treten die Ufer erst als Ufer hervor. Die Brückeläßt sie eigens gegeneinander über liegen. Die andere Seite istdurch die Brücke gegen die eine abgesetzt. Die Ufer ziehen auchnicht als gleichgültige Grenzstreifen des festen Landes den Stromentlang. Die Brücke bringt mit den Ufern jeweils die eine <strong>und</strong> dieandere Weite der rückwärtigen Uferlandschaft an den Strom. Siebringt Strom <strong>und</strong> Ufer <strong>und</strong> Land in die wechselseitige Nachbarschaft.Die Brücke versammelt die Erde als Landschaft um denStrom. So geleitet sie ihn durch die Auen. Die Brückenpfeiler tragen,aufruhend im Strombett, den Schwung der Bogen, die denWassern des Stromes ihre Bahn lassen. Mögen die Wasser ruhig<strong>und</strong> munter fortwandern, mögen die Fluten des Himmels beimGewittersturm oder der Schneeschmelze in reißenden Wogen umdie Pfeilerbogen schießen, die Brücke ist bereit für die Wetter des147 Himmels <strong>und</strong> deren wendisches Wesen. Auch dort, wo die Brükkeden Strom überdeckt, hält sie sein Strömen dadurch dem Himmelzu, daß sie es für Augenblicke in das Bogentor aufnimmt <strong>und</strong>daraus wieder freigibt.Die Brücke läßt dem Strom seine Bahn <strong>und</strong> gewährt zugleichden Sterblichen ihren Weg, daß sie von Land zu Land gehen <strong>und</strong>fahren. Brücken geleiten auf mannigfache Weise. Die Stadtbrükkeführt vom Schloßbezirk zum Domplatz, die Flußbrücke vorder Landstadt bringt Wagen <strong>und</strong> Gespann zu den umliegendeng 3. Auflage 1967: überbrücken: den Strom zwischen seinen TJfern.IIDörfern. Der unscheinbare Bachübergang der alten Steinbrückegibt dem Erntewagen seinen Weg von der Flur in das Dorf, trägtdie Holzfuhre vom Feldweg zur Landstraße. Die Autobahnbrükkeist eingespannt in das Liniennetz des rechnenden <strong>und</strong> möglichstschnellen Fernverkehrs. Immer <strong>und</strong> je anders geleitet dieBrücke hin <strong>und</strong> her die zögernden <strong>und</strong> die hastigen Wege derMenschen, daß sie zu anderen Ufern <strong>und</strong> zuletzt als die Sterblichenauf die andere Seite kommen. Die Brücke überschwingtbald in hohen, bald in flachen Bogen Fluß <strong>und</strong> Schlucht; ob dieSterblichen das Überschwingende der Brückenbahn in der Achtbehalten oder vergessen, daß sie, immer schon unterwegs zur letztenBrücke, im Gr<strong>und</strong>e danach trachten, ihr Gewöhnliches <strong>und</strong>Unheiles zu übersteigen, um sich vor das Heile des Göttlichen zubringen. Die Brücke sammelt als der überschwingende Übergangvor die Göttlichen. Mag deren Anwesen eigens bedacht <strong>und</strong> sichtbarlichbedankt sein wie in der Figur des Brückenheiligen, mag esverstellt oder gar weggeschoben bleiben.Die Brücke versammelt auf ihre Weise Erde <strong>und</strong> Himmel, dieGöttlichen <strong>und</strong> die Sterblichen bei sich.Versammlung heißt nach einem alten Wort unserer Sprache»thing«. Die Brücke ist - <strong>und</strong> zwar als die gekennzeichnete Versammlungdes Gevierts - ein Ding. Man meint freilich, die Brükkesei zunächst <strong>und</strong> eigentlich bloß eine Brücke. Nachträglich<strong>und</strong> gelegentlich könne sie dann auch noch mancherlei ausdrük- 148ken. Als ein solcher Ausdruck werde sie dann zum Symbol, zumBeispiel für all das, was vorhin genannt wurde. Allein, die Brückeist, wenn sie eine echte Brücke ist, niemals zuerst bloße Brücke<strong>und</strong> hinterher ein Symbol. Die Brücke ist ebensowenig im vorausnur ein Symbol in dem Sinn, daß sie etwas ausdrückt, was, strenggenommen, nicht zu ihr gehört. Wenn wir die Brücke streng nehmen,zeigt sie sich nie als Ausdruck. Die Brücke ist ein Ding <strong>und</strong>nur dies. Nur? Als dieses Ding versammelt sie das Geviert.Unser Denken ist freilich von altersher gewohnt, das Wesendes Dinges zu dürftig anzusetzen. Dies hatte im Verlauf desabendländischen Denkens zur Folge, daß man das Ding als ein

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!