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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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118120 Wer ist Nietzsches Zarathustra?»Das größte Schwergewicht« zum ersten Male dargelegt. Das ihmfolgende Schlußstück n. 342 ist als Beginn der Vorrede wörtlich indas Werk »Also sprach Zarathustra« aufgenommen.Im Nachlaß (WW XIV, 404 ff.) finden sich Entwürfe zur Vorredefür die Schrift »Die fröhliche Wissenschaft«. Wir lesen dafolgendes:»Ein durch Kriege <strong>und</strong> Siege gekräftigter Geist, dem die Eroberung,das Abenteuer, die Gefahr, der Schmerz sogar, zum Bedürfnisgeworden ist; eine Gewöhnung an scharfe hohe Luft, an winterlicheWanderungen, an Eis <strong>und</strong> Gebirge in jedem Sinne; eineArt sublimer Bosheit <strong>und</strong> letzten Muthwillens der Bache, - dennes ist Rache darin, Bache am Leben selbst, wenn ein Schwer-leidenderdas Leben unter seine Protection nimmt.«Was bleibt uns anderes, als zu sagen: Zarathustras Lehre bringtnicht die Erlösung von der Bache? Wir sagen es. Allein, wir sagenes keineswegs als vermeintliche Widerlegung der PhilosophieNietzsches. Wir sagen es nicht einmal als Einwand gegen NietzschesDenken. Aber wir sagen es, um unseren Blick darauf zuwenden, daß <strong>und</strong> inwiefern auch Nietzsches Denken sich imGeist des bisherigen Nachdenkens bewegt. Ob dieser Geist desbisherigen Denkens überhaupt in seinem maßgebenden Wesengetroffen ist, wenn er als Geist der Bache gedeutet wird, lassenwir offen. In jedem Falle ist das bisherige Denken Metaphysik,<strong>und</strong> Nietzsches Denken vollzieht vermutlich ihre Vollendung.Dadurch kommt in Nietzsches Denken etwas zum Vorschein,was dieses Denken selber nicht mehr zu denken vermag. SolchesZurückbleiben hinter dem Gedachten kennzeichnet das Schöpferischeeines Denkens. Wo gar ein Denken die Metaphysik zurVollendung bringt, zeigt es in einem ausnehmenden Sinne aufUngedachtes, deutlich <strong>und</strong> verworren zugleich. Aber wo sind dieAugen, dies zu sehen?Das metaphysische Denken beruht auf dem Unterschied zwischendem, was wahrhaft ist, <strong>und</strong> dem, was, daran gemessen, dasnicht wahrhaft Seiende ausmacht. Für das Wesen der Metaphysikliegt das Entscheidende jedoch keineswegs darin, daß der ge-Wer ist Nietzsches Zarathustra? 121nannte Unterschied sich als der Gegensatz des Übersinnlichenzum Sinnlichen darstellt, sondern darin, daß jener Unterschiedim Sinne einer Zerklüftung das Erste <strong>und</strong> Tragende bleibt. Siebesteht auch dann fort, wenn die platonische Bangordnung zwischendem Übersinnlichen <strong>und</strong> Sinnlichen umgekehrt <strong>und</strong> dasSinnliche wesentlicher <strong>und</strong> weiter in einem Sinne erfahren wird,den Nietzsche mit dem Namen Dionysos benennt. Denn dieÜberfülle, wonach »die große Sehnsucht« Zarathustras geht, ist 119die unerschöpfliche Beständigkeit des Werdens, als welche derWille zur Macht in der ewigen Wiederkehr des Gleichen sich selberwill.Nietzsche hat das wesenhaft Metaphysische seines Denkensauf die äußerste Form des Widerwillens gebracht <strong>und</strong> zwar mitden letzten Zeilen seiner letzten Schrift »Ecce homo« »Wie manwird, was man ist«. Nietzsche verfaßte diese Schrift im Oktober1888. Sie wurde erst zwanzig Jahre später in einer beschränktenAuflage zum ersten Male veröffentlicht <strong>und</strong> 1911 in den <strong>Bd</strong>. XVder Großoktavausgabe aufgenommen. Die letzten Zeilen von»Ecce homo« lauten:»— Hat man mich verstanden? — Dionysos gegen den Gekreuzigten...«Wer ist Nietzsches Zarathustra? Er ist der Fürsprecher des Dionysos.Das will sagen: Zarathustra ist der Lehrer, der in seinerLehre vom Übermenschen <strong>und</strong> für diese die ewige Wiederkunftdes Gleichen lehrt.Gibt der Satz die Antwort auf unsere Frage? Nein. Er gibt sieauch dann nicht, wenn wir den Hinweisen folgen, die ihn erläuterten,um den Weg Zarathustras, wenn auch nur bei seinem erstenSchritt über die Brücke, nachzugehen. Der Satz, der wie eineAntwort aussieht, möchte uns indessen aufmerken lassen <strong>und</strong> unsaufmerksamer in die Titelfrage zurückbringen.Wer ist Nietzsches Zarathustra? Dies frägt jetzt: Wer ist dieserLehrer? Wer ist diese Gestalt, die im Stadium der Vollendung derMetaphysik innerhalb dieser erscheint? Nirgends sonst in der Geschichteder abendländischen Metaphysik wird die Wesensgestalt

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