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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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62 Wissenschaft <strong>und</strong> BesinnungWissenschaft <strong>und</strong> Besinnung 63Der Sachverhalt, der das Wesen der Wissenschaft, d.h. der Theoriedes Wirklichen durchwaltet, ist das stets übergangene unzugänglicheUnumgängliche.hDer unscheinbare Sachverhalt verbirgt sich in den Wissenschaften.Aber er liegt nicht in ihnen wie der Apfel im Korb. Wirmüssen eher sagen: die Wissenschaften ruhen ihrerseits im unscheinbarenSachverhalt wie der Fluß im Quell.Unser Vorhaben war, auf den Sachverhalt hinzuweisen, damiter selbst in die Gegend winke, aus der das Wesen der Wissenschaftstammt.64 Was haben wir erreicht? Wir sind aufmerksam geworden fürdas stets übergangene, der Wissenschaft als solcher unzugängliche,gleichwohl für sie Unumgängliche. Es zeigt sich uns an derGegenständigkeit, in die sich das Wirkliche herausstellt, durchdie hindurch die Theorie den Gegenständen nachstellt, um diese<strong>und</strong> ihren Zusammenhang im Gegenstandsgebiet der jeweiligenWissenschaft für das Vorstellen sicherzustellen. Der unscheinbareSachverhalt durchwaltet die Gegenständigkeit, worin sowohldie Wirklichkeit des Wirklichen als auch die Theorie des Wirklichen,worin somit auch das ganze Wesen der neuzeitlich-modernenWissenschaft schwingt.Wir begnügen uns damit, auf den unscheinbaren Sachverhalt’hinzuweisen. Was er in sich selber ist, dies auszumachen bedürfteeines neuen Fragens. Wir sind jedoch durch den Hinweis auf denunscheinbaren Sachverhalt in eine Wegrichtung gewiesen, dievor das Fragwürdige bringt. Im Unterschied zum bloß Fraglichen<strong>und</strong> zu allem Fraglosen verleiht das Fragwürdige von sich hererst den klaren Anlaß <strong>und</strong> den freien Anhalt, wodurch wir es vermögen,dem entgegen- <strong>und</strong> das herbeizurufen, was sich unseremWesen zuspricht. Die Wanderschaft in der Wegrichtung zumFragwürdigen ist nicht Abenteuer sondern Heimkehr.Eine Wegrichtung einschlagen, die eine Sache von sich ausschon genommen hat, heißt in unserer Sprache sinnan, sinnen.Sich auf den Sinn einlassen, ist das Wesen der Besinnung. Diesmeint mehr als das bloße Bewußtmachen von etwas. Wir sindnoch nicht bei der Besinnung, wenn wir nur bei Bewußtsein sind.Besinnung ist mehr. Sie ist die Gelassenheit zum Fragwürdigen.Durch die so verstandene Besinnung gelangen wir eigens dorthin,wo wir, ohne es schon zu erfahren <strong>und</strong> zu durchschauen, unsseit langem aufhalten. In der Besinnung gehen wir auf einen Ortzu, von dem aus sich erst der Raum öffnet, den unser jeweiligesTun <strong>und</strong> Lassen durchmißt.Besinnung ist anderen Wesens als das Bewußtmachen <strong>und</strong> 65Wissen der Wissenschaft, anderen Wesens auch als die Bildung!” Das Übergehen des unzugänglichen Unumgänglichen geschieht in den <strong>und</strong>durch die Wissenschaften selbst. Sie gehen in einen Fortriß - einen geschicklichen- wohin? Antwort: in die vollständige Ausformung ihres eigenen vorgezeichnetenWesens. Auf welche Weise diese Ausformung (Einrichtung des jetzigen Aufenthaltsdes Menschen auf der Erde) von statten gehen wird, kann niemand voraussagen.Das, was die moderne Wissenschaft in ihrem innersten Wesen bewegt, das,wodurch sich der gezeigte unscheinbare Sachverhalt ereignet, können wir heutenur erst ganz unzureichend <strong>und</strong> überdies leicht mißdeutbar kennzeichnen, wennwir dafür den Namen »Technik« nennen. Das Wesen der modernen Technik istindessen noch dunkler als dasjenige der Wissenschaft - so dunkel, daß wir vermutlichnoch nicht einmal dahin gelangt sind, nach der modernen Technik sachgerechtzu fragen.’ über Ver-Hältnis vgl. Unterwegs zur Sprache S. 203 [GA <strong>Bd</strong>. 12] - vgl. VierHefte! [vorgesehen als GA <strong>Bd</strong>. 99]»der Sach-Verhalt«»Der Sinn ist der Weg, die Wegrichtung, die eine Sache nimmt. Der Sinn ist dieoffene Wegrichtung, die der Gang einer Sache schon eingeschlagen hat. Der Sinnist der gelichtete Bereich, worin eine Sache ihr Wesen entfaltet <strong>und</strong> zugleich verwahrt.Der Sinn ist es, worin eine Sache ihr Wesen wahrt <strong>und</strong> hält <strong>und</strong> d.h. hütet.Der Sinn ist es, aus dem her eine Sache mit dem in ihr verborgenen Wesen an sichhält: das Verhaltene - der Verhalt einer Sache: der Sach-Verhalt - das Wort jetzttiefer gedacht.« (nicht gedruckter - aber vorgetragener Text)die Sache - der Streit-, der Zwischen-Fall, der Unter-Schied.’ Bildung [s. Nachwort]»Die Civilisation ist die Vermenschlichung der Völker in ihren äußeren Einrichtungen<strong>und</strong> Gebräuchen <strong>und</strong> der darauf Bezug habenden inneren Gesinnung. DieCultur fügt dieser Veredlung des gesellschaftlichen Zustandes Wissenschaft <strong>und</strong>Kunst hinzu. Wenn wir aber in unsrer Sprache Bildung sagen, so meinen wir damitetwas zugleich Höheres <strong>und</strong> mehr Innerliches, nämlich die Sinnesart, die sichaus der Erkenntnis <strong>und</strong> dem Gefühle des gesamten geistigen <strong>und</strong> sittlichen Strebensharmonisch auf die Empfindung <strong>und</strong> den Charakter ergießt.« W. v. Humboldt,Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues § 4

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