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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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46 Wissenschaft <strong>und</strong> Besinnung Wissenschaft <strong>und</strong> Besinnung 47das Wort »Theorie«? Der Name »Theorie« stammt von dem griechischenZeitwort &op&Ev. Das zugehörige Hauptwort lautetWph. Diesen Worten eignet eine hohe <strong>und</strong> geheimnisvolle Bedeutung.Das Zeitwort &o@v ist aus zwei Stammworten zusammengewachsen:8Ea <strong>und</strong> +&o. OEa (vgl. Theater) ist der Anblick,das Aussehen, worin sich etwas zeigt, die Ansicht, in der es sichdarbietet. Platon nennt dieses Aussehen, worin Anwesendes daszeigt, was es istm, &50~. Dieses Aussehen gesehen haben, &%vat,ist Wissen. Das zweite Stammwort in 8Ecup&Zv, das OpacU, bedeutet:etwas ansehen, in den Augenschein nehmen, es be-sehen. So ergibtsich: &wpEZv ist BEcxv i>pav: den Anblick, worin das Anwesendeerscheint, ansehen <strong>und</strong> durch solche Sicht bei ihm sehend verweilen.Diejenige Lebensart (ßio& die aus dem &ope?v ihre Bestimmungempfängt <strong>und</strong> ihm sich weiht, nennen die Griechen denßios &opqztK&, die Lebensart des Schauenden, der in das reineScheinen des Anwesenden schaut. Im Unterschied dazu ist derßiq ~~CXICT~IC~die Le bensart, die sich dem Handeln <strong>und</strong> Herstellenwidmet. Bei dieser Unterscheidung müssen wir jedoch stetseines festhalten: für die Griechen ist der ßioc &aPqT&S, dasschauende Leben, zumal in seiner reinsten Gestalt als Denken,das höchste Tun. Die &opia ist in sich, nicht erst durch eine dazukommendeNutzbarkeit, die vollendete Gestalt menschlichen49 Daseins. Denn die &opia ist der reine Bezug zu den” Anblickendes Anwesende ‘n, die durch ihr Scheinen den Menschen angehen,ind em sie die Gegenwart der Götter be-scheinen. Die weitereKennzeichnung des &a@v, daß es die &p~ai <strong>und</strong> aiziat des Anwesendenvor das Vernehmen <strong>und</strong> Darlegen bringt, kann hiernicht gegeben werden”; denn dies verlangte eine Besinnung darauf,was das griechische Erfahren unter dem verstand, was wirseit langem als principium <strong>und</strong> causa, Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ursache, vorstellen(vgl. Aristoteles, Eth. Nie. VI c. 2, 1139 a sq).m als was es anwestn Berg - Meer - HimmelO vgl. Der Satz vom Gr<strong>und</strong> [GA <strong>Bd</strong>. 101,Mit dem höchsten Rang der &opia innerhalb des griechischenßioc hängt zusammen, daß die Griechen, die auf eine einzigartigeWeise aus ihrer Sprache dachten, d.h. ihr Dasein empfingen,im Wort &opia noch Anderes mithören mochten. Die beidenStammworte &a <strong>und</strong> opao können in anderer Betonung lauten:&& <strong>und</strong> @xx. OE& ist die Göttin. Als solche erscheint dem frühenDenker Parmenides die ‘Ah$kta, die Unverborgenheit, aus der<strong>und</strong> in der Anwesendes anwest. Wir übersetzen&hfi&ta durch daslateinische Wort »veritas« <strong>und</strong> unser deutsches Wort »Wahrheit«.Das griechische Wort 45~ bedeutet die Rücksicht, die wir nehmen,die Ehre <strong>und</strong> Achtung, die wir schenken. Denken wir dasWort &cupia jetzt aus den zuletzt genannten Wortbedeutungen,dann ist die Ckcopia das verehrende Be-achten der Unverborgenheitdes Anwesenden. Die Theorie im alten <strong>und</strong> d.h. frühen, keineswegsveralteten Sinne ist das hütende Schauen der Wahrheit.Unser althochdeutsches Wort wara (wovon wahr, wahren <strong>und</strong>Wahrheit) geht in denselben Stamm zurück wie das griechischeOpho,@a:Fop.Das mehrdeutige <strong>und</strong> nach jeder Hinsicht hohe Wesen dergriechisch gedachten Theorie bleibt verschüttet, wenn wir heutein der Physik von der Relativitätstheorie, in der Biologie von derDeszendenztheorie, in der Historie von der Zyklentheorie, in derJurisprudenz von der Naturrechtstheorie sprechen. Gleichwohl 50zieht durch die modern verstandene »Theorie« immer noch derSchatten der frühen fkopia. Jene lebt aus dieser <strong>und</strong> zwar nichtnur in dem äußerlich feststellbaren Sinne einer geschichtlichenAbhängigkeit. Was sich hier ereignet, wird deutlicher, wenn wirjetzt fragen: Was ist im Unterschied zur frühen Btmpia »die Theorie«,die in dem Satz genannt wird: »Die moderne Wissenschaftist die Theorie des Wirklichen«?Wir antworten mit der nötigen Kürze, indem wir einen anscheinendäußerlichen Weg wählen. Wir achten darauf, wie diegriechischen Worte &mpdv <strong>und</strong> Beopia in die lateinische <strong>und</strong> indie deutsche Sprache übersetzt werden. Wir sagen mit Bedacht»die Worte« <strong>und</strong> nicht die Wörter, um anzudeuten, daß sich

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