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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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185194 »...dichterisch wohnet der Mensch...«die Sprache zum bloßen Druckmittel herabsinken. Daß man auchbei solcher Benutzung der Sprache noch auf die Sorgfalt des Sprechenshält, ist gut. Dies allein hilft uns jedoch nie aus der Verkehrungdes wahren Herrschaftsverhältnisses zwischen der Sprache<strong>und</strong> dem Menschen. Denn eigentlich spricht die Sprache. DerMensch spricht erst <strong>und</strong> nur, insofern er der Sprache entspricht,indem er auf ihren Zuspruch hört. Unter allen Zusprächen, diewir Menschen von uns her mit zum Sprechen bringen dürfen, istdie Sprache der höchste <strong>und</strong> der überall erste. Die Sprache winktuns zuerst <strong>und</strong> dann wieder zuletzt das Wesen einer Sache zu. Diesheißt jedoch nie, daß die Sprache in jeder beliebig aufgegriffenenWortbedeutung uns schon mit dem durchsichtigen Wesen der Sachegeradehin <strong>und</strong> endgültig wie mit einem gebrauchsfertigenGegenstand beliefert. Das Entsprechen aber, worin der Menscheigentlich auf den Zuspruch der Sprache hört, ist jenes Sagen, dasim Element des Dichtens spricht. Je dichtender ein Dichter ist,um so freier, das heißt um so offener <strong>und</strong> bereiter für das Unvermuteteist sein Sagen, um so reiner stellt er sein Gesagtes demstets bemühteren Hören anheim, um so ferner ist sein Gesagtesder bloßen Aussage, über die man nur hinsichtlich ihrer Richtigkeitoder Unrichtigkeit verhandelt.»...dichterisch, wohnet der Mensch...«sagt der Dichter. Wir hören das Wort Hölderlins deutlicher, wennwir es in das Gedicht zurücknehmen, dem es entstammt. Zunächsthören wir nur die zwei Verszeilen, aus denen wir das Wortherausgelöst <strong>und</strong> dadurch beschnitten haben. Sie lauten:»Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnetDer Mensch auf dieser Erde.«Der Gr<strong>und</strong>ton der Verse schwingt im Wort »dichterisch«. Diesesist nach zwei Seiten herausgehoben: durch das, was ihm voraufgeht,<strong>und</strong> durch das, was ihm folgt.»...dichterisch wohnet der Mensch...« 195Vorauf gehen die Worte: »Voll Verdienst, doch ...« Das klingtbeinahe so, als brächte das folgende Wort »dichterisch« eine Einschränkungin das verdienstvolle Wohnen des Menschen. Allein,es ist umgekehrt. Die Einschränkung wird durch die Wendung»Voll Verdienst« genannt, dem wir ein »zwar« hinzudenken müssen.Der Mensch macht sich zwar bei seinem Wohnen vielfältigverdient. Denn der Mensch pflegt die wachstümlichen Dinge derErde <strong>und</strong> hegt das ihm Zugewachsene. Pflegen <strong>und</strong> Hegen (colere,cultura) ist eine Art des Bauens. Der Mensch bebaut jedochnicht nur das, was von sich aus ein Wachstum entfaltet, sonderner baut auch im Sinne des aedificare, indem er solches errichtet,was nicht durch Wachstum entstehen <strong>und</strong> bestehen kann. Gebautes<strong>und</strong> Bauten in diesem Sinne sind nicht nur die Gebäude, sondernalle Werke von Hand <strong>und</strong> durch Verrichtungen des Menschen.Doch die Verdienste dieses vielfältigen Bauens füllen dasWesen des Wohnens nie aus. Im Gegenteil: sie verwehren demWohnen sogar sein Wesen, sobald sie lediglich um ihretwillen erjagt<strong>und</strong> erworben werden. Dann zwängen nämlich die Verdienstegerade durch ihre Fülle überall das Wohnen in die Schrankendes genannten Bauens ein. Dieses befolgt die Erfüllung der Bedürfnissedes Wohnens. Das Bauen im Sinne der bäuerlichenPflege des Wachstums <strong>und</strong> des Errichtens von Bauten <strong>und</strong> Werken<strong>und</strong> des Herrichtens von Werkzeugen ist bereits eine Wesensfolgedes Wohnens, aber nicht sein Gr<strong>und</strong> oder gar seine Gründung.Diese muß in einem anderen Bauen geschehen. Das ge- 186wöhnlich <strong>und</strong> oft ausschließlich betriebene <strong>und</strong> darum allein bekannteBauen bringt zwar die Fülle der Verdienste in das Wohnen.Doch der Mensch vermag das Wohnen nur, wenn er schon inanderer Weise gebaut hat <strong>und</strong> baut <strong>und</strong> zu bauen gesonnenbleibt.»Voll Verdienst (zwar), doch dichterisch, wohnet der Mensch ...«.Dem folgen im Text die Worte: »auf dieser Erde«. Man möchtediesen Zusatz für überflüssig halten; denn wohnen heißt dochschon: Aufenthalt des Menschen auf der Erde, auf »dieser«, dersich jeder Sterbliche anvertraut <strong>und</strong> ausgesetzt weiß.

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