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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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214 Logos (Heraklit, Fragment JO) Logos (Heraklit, Fragment JO) 215Seit dem Altertum wurde der AOyos des Heraklit auf verschiedeneWeise ausgelegt: als Ratio, als Verbum, als Weltgesetz, alsdas Logische <strong>und</strong> die Denknotwendigkeit, als der Sinn, als dieVernunft. Immer wieder verlautet ein Ruf nach der Vernunft alsdem Richtmaß im Tun <strong>und</strong> Lassen. Doch was vermag die Vernunft,wenn sie zugleich mit der Un- <strong>und</strong> Widervernunft in derselben Ebene der gleichen Versäumnis verharrt, die vergißt, derWesensherkunft der Vernunft nachzudenken <strong>und</strong> auf diese Ankunftsich einzulassen? Was soll die Logik, hoyt~fi (Erc~mfip~$ jedwederArt, wenn wir nie beginnen, auf den Aoyos zu achten <strong>und</strong>seinem anfänglichen Wesen zu folgen?Was h6YOS ist, entnehmen wir dem hEy&w . Was heißt hEy&tv?Jederm ann, der die Sprache kennt, wei 13: hEy~tv hei ßt: sagen <strong>und</strong>reden; hoyoc bedeutet: hEy&tv als aussagen <strong>und</strong> h@~&vov als dasAusgesagte.Wer möchte leugnen, daß in der Sprache der Griechen vonfrüh an httytz~v reden, sagen, erzählen bedeutet?a Allein, es bedeutetgleich früh <strong>und</strong> noch ursprünglicher <strong>und</strong> deshalb immerschon <strong>und</strong> darum auch in der vorgenannten Bedeutung das, wasunser gleichlautendes »legen« meint: nieder- <strong>und</strong> vorlegen. Darinwaltet das Zusammenbringen, das lateinische legere als lesenim Sinne von einholen <strong>und</strong> zusammenbringen. Eigentlich bedeutethEy~tv das sich <strong>und</strong> anderes sammelnde Nieder- <strong>und</strong> Vorlegen.Medial gebraucht, meint h6ymfkxt: sich niederlegen in die Sammlungder Ruhe; h&~o~ ist das Ruhelager; Homos ist der Hinterhalt,201 wo etwas hinterlegt <strong>und</strong> angelegt ist. (Zu bedenken bleibt hierauch das alte, nach Aischylos <strong>und</strong> Pindar aussterbende WortCMYO (a copulativum): mir liegt etwas an, es be-kümmert mich.)Gleichwohl bleibt unbestritten: hky~tv heißt andererseits auch<strong>und</strong> sogar vorwiegend, wenn nicht ausschließlich: sagen <strong>und</strong> reden.Müssen wir deshalb zugunsten dieser vorherrschenden <strong>und</strong>gängigen Bedeutung des ?&ytztv, die sich noch vielfältig abwandelt,den eigentlichen Sinn des Wortes, ht?y~tv als legen, einfach ina vgl. Was heißt Denken? 120 ff. [vorgesehen als GA <strong>Bd</strong>. 8]den Wind schlagen? Dürfen wir denn überhaupt solches wagen?Oder ist es nicht endlich an der Zeit, daß wir uns auf eine Frageeinlassen, die vermutlich vieles entscheidet? Die Frage lautet:Inwiefern gelangt der eigentliche Sinn von hky~tv, legen, zur Bedeutungvon sagen <strong>und</strong> reden?Damit wir den Anhalt für eine Antwort finden, ist ein Nachdenkendarüber nötig, was im ht5y~tv als legen eigentlich liegt.Legen heißt: zum Liegen bringen. Legen ist dabei zugleich: eineszum anderen-, ist zusammenlegen. Legen ist lesen. Das uns bekanntereLesen, nämlich das einer Schrift, bleibt eine, obzwar dievorgedrängte Art des Lesens im Sinne von: zusammen-ins-vorliegen-bringen.Die Ährenlese hebt die Frucht vom Boden auf. DieTraubenlese nimmt die Beeren vom Rebstock ab. Auflesen <strong>und</strong>Abnehmen ergehen sich in einem Zusammentragen. Solange wirim gewohnten Augenschein beharren, sind wir geneigt, diesesZusammenbringen schon für das Sammeln oder gar für dessenBeendigung zu halten. Sammeln ist jedoch mehr als bloßes Anhäufen.Zum Sammeln gehört das einholende Einbringen. Darinwaltet das Unterbringen; in diesem jedoch das Verwahren. Jenes»mehr«, das im Sammeln über das nur aufgreifende Zusammenraffenhinausgeht, kommt zu diesem nicht erst hinzu. Noch wenigerist es sein zuletzt eintretender Abschluß. Das einbringendeVerwahren hat schon den Beginn der Schritte des Sammelns <strong>und</strong>sie alle in der Verflechtung ihrer Folge an sich genommen. Star- 202ren wir lediglich auf die Abfolge der Schritte, dann reiht sichdem Auflesen <strong>und</strong> Abheben das Zusammenbringen, diesem dasEinbringen, diesem das Unterbringen im Behälter <strong>und</strong> Speicheran. So behauptet sich der Anschein, als gehöre das Aufbewahren<strong>und</strong> Verwahren nicht mehr zum Sammeln. Doch was bleibt eineLese, die nicht vom Gr<strong>und</strong>zug des Bergens gezogen <strong>und</strong> zugleichgetragen wird? Das Bergen ist das erste im Wesensbau der Lese.Das Bergen selbst jedoch birgt nicht das Beliebige, das irgendwo<strong>und</strong> irgendwann vorkommt. Das vom Bergen her eigentlichanfangende Sammeln, die Lese, ist in sich zum voraus ein Auslesendessen, was Bergung verlangt. Die Auslese ihrerseits wird

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