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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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132 Was heißt Denken? Was heißt Denken? 133hat, was es selber ist. Was am meisten von sich aus zu denkengibt, das Bedenklichste, soll sich daran zeigen, daß wir noch nichtdenken. Was sagt dies jetzt? Es sagt: Wir sind noch nicht eigens inden Bereich dessen gelangt, was von sich her vor allem anderen<strong>und</strong> für alles andere bedacht sein möchte. Weshalb sind wir dahinnoch nicht gelangt? Vielleicht weil wir Menschen uns nochnicht hinreichend dem zuwenden, was das zu-Bedenkende bleibt?Dann wäre dies, daß wir noch nicht denken, doch nur ein Versäumnisvon seiten des Menschen. Diesem Mangel müßte danndurch geeignete Maßnahmen am Menschen auf eine menschlicheWeise abgeholfen werden können.Daß wir noch nicht denken, liegt jedoch keineswegs nur daran,daß der Mensch sich noch nicht genügend dem zuwendet, wasvon sich her bedacht sein möchte. Daß wir noch nicht denken,kommt vielmehr daher, daß dieses zu-Denkende selbst sich vomMenschen abwendet, sogar langher sich schon abgewendet hält.Sogleich werden wir wissen wollen, wann <strong>und</strong> auf welcheWeise die hier gemeinte Abwendung geschah. Wir werden vordem<strong>und</strong> noch begieriger fragen, wie wir denn überhaupt von einemsolchen Vorkommnis wissen können. Die Fragen dieser Artüberstürzen sich, wenn wir vom Bedenklichsten sogar behaupten:Das, was uns eigentlich zu denken gibt, hat sich nicht irgendwannzu einer historisch datierbaren Zeit vom Menschen abge-127 wendet, sondern das zu-Denkende hält sich von einsther in solcherAbwendung. Allein, Abwendung ereignet sich nur dort, wobereits eine Zuwendung geschehen ist. Wenn das Bedenklichstesich in einer Abwendung hält, dann geschieht das bereits <strong>und</strong> nurinnerhalb seiner Zuwendung, d.h. so, daß es schon zu denken gegebenhat. Das zu-Denkende hat bei aller Abwendung sich demWesen des Menschen schon zugesprochen. Darum hat der Menschunserer Geschichte auch stets schon in einer wesentlichen Weisegedacht. Er hat sogar Tiefstes gedacht. Diesem Denken bleibt daszu-Denkende anvertraut, freilich in einer seltsamen Weise. Dasbisherige Denken nämlich bedenkt gar nicht, daß <strong>und</strong> inwieferndas zu-Denkende sich dabei gleichwohl entzieht.Doch wovon reden wir? Ist das Gesagte nicht eine einzige Ketteleerer Behauptungen? Wo bleiben die Beweise? Hat das Vorgebrachtenoch das Geringste mit Wissenschaft zu tun? Es wird gutsein, wenn wir möglichst lange in solcher Abwehrhaltung zu demGesagten ausharren. Denn so allein halten wir uns in dem nötigenAbstand für einen Anlauf, aus dem her vielleicht dem einenoder anderen der Sprung e in das Denken des Bedenklichsten gelingt.Es ist nämlich wahr: Das bisher Gesagte <strong>und</strong> die ganze folgendeErörterung hat nichts mit Wissenschaft zu tun <strong>und</strong> zwar geradedann, wenn die Erörterung ein Denken sein dürfte. Der Gr<strong>und</strong>dieses Sachverhaltes liegt darin, daß die Wissenschaft nichtdenkt. Sie denkt nicht, weil sie nach der Art ihres Vorgehens <strong>und</strong>ihrer Hilfsmittel niemals denken kann - denken nämlich nachder Weise der Denker. Daß die Wissenschaft nicht denken kann,ist kein Mangel, sondern ein Vorzug. Er allein sichert ihr dieMöglichkeit, sich nach der Art der Forschung auf ein jeweiligesGegenstandsgebiet einzulassen <strong>und</strong> sich darin anzusiedeln. DieWissenschaft denkt nicht. Das ist für das gewöhnliche Vorstellenein anstößiger Satz. Lassen wir dem Satz seinen anstößigen Charakter,auch dann, wenn ihm der Nachsatz folgt, die Wissenschaft 128sei, wie jedes Tun <strong>und</strong> Lassen des Menschen, auf das Denken angewiesen.Allein, die Beziehung der Wissenschaft zum Denken istnur dann eine echte <strong>und</strong> fruchtbare, wenn die Kluft, die zwischenden Wissenschaften <strong>und</strong> dem Denken besteht, sichtbar gewordenist <strong>und</strong> zwar als eine unüberbrückbare. Es gibt von den Wissenschaftenher zum Denken keine Brücke, sondern nur den Sprung.Wohin er uns bringt, dort ist nicht nur die andere Seite, sonderneine völlig andere Ortschaft. Was mit ihr offen wird, läßt sichniemals beweisen, wenn beweisen heißt: Sätze über einen Sachverhaltaus geeigneten Voraussetzungen durch Schlußketten herleiten.Wer das, was nur offenk<strong>und</strong>ig wird, insofern es von sichher erscheint, indem es sich zugleich verbirgt, wer solches nochbeweisen <strong>und</strong> bewiesen haben will, urteilt keineswegs nach ei-’ 3. Auflage 1967: Vgl. Der Satz der Identität [vorgesehen für GA <strong>Bd</strong>. 1 l]

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