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Bd 7 Vorträge und Aufsätze - gesamtausgabe

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60 Wissenschaft <strong>und</strong> Besinnung Wissenschaft <strong>und</strong> Besinnung61te. Also kann die Geschichtswissenschaft sich selber im Sinne ihrerThematik <strong>und</strong> Methode betrachten. Gewiß. Durch solche Betrachtungerfaßt die Historie die Geschichte der Wissenschaft,die sie ist. Allein, die Historie erfaßt dadurch niemals ihr Wesenals Historie, d.h. als Wissenschaft. Will man über die Mathematikals Theorie etwas aussagen, dann muß man das Gegenstandsgebietder Mathematik <strong>und</strong> ihre Vorstellungsweise verlassen.Man kann nie durch eine mathematische Berechnung ausmachen,was die Mathematik selbst ist.62 Es bleibt dabei: die Wissenschaften sind außerstande, mit denMitteln ihrer Theorie <strong>und</strong> durch die Verfahrensweisen der Theoriejemals sich selber als Wissenschaften vor-zustellen.Wenn der Wissenschaft versagt bleibt, überhaupt auf das eigeneWesen wissenschaftlich einzugehen, dann vermögen es dieWissenschaften vollends nicht, auf das in ihrem Wesen waltendeUnumgängliche zuzugehen.So zeigt sich etwas Erregendes. Das in den Wissenschaften jeweilsUnumgängliche: die Natur, der Mensch, die Geschichte, dieSprache, ist als dieses Unumgängliche für die Wissenschaften<strong>und</strong> durch sie unzugänglich.fErst wenn wir diese Unzugänglichkeit des Unumgänglichenmitbeachten, kommt der Sachverhalt in den Blick, der das Wesender Wissenschaft durchwaltet.Weshalb nennen wir aber das unzugängliche Unumgänglicheden »unscheinbaren Sachverhalt«? Das Unscheinbare fällt nichtauf. Es mag gesehen sein, ohne doch eigens beachtet zu werden.Bleibt der gezeigte Sachverhalt im Wesen der Wissenschaft nurdeshalb unbeachtet, weil man das Wesen der Wissenschaft zuselten <strong>und</strong> zu wenig bedenkt? Dies Letztere dürfte kaum jemandmit Gr<strong>und</strong> behaupten. Im Gegenteil, viele Zeugnisse sprechendafür, daß heute nicht nur durch die Physik, sondern durch alleWissenschaften eine seltsame Beunruhigung geht. Vordem jedochregten sich in den vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten der abend-ländischen Geistes- <strong>und</strong> Wissenschaftsgeschichte immer wiederVersuche, das Wesen der Wissenschaft zu umgrenzen. Das leidenschaftliche<strong>und</strong> unablässige Bemühen darum ist vor allemein Gr<strong>und</strong>zug der Neuzeit. Wie könnte da jener Sachverhaltunbeachtet bleiben? Heute spricht man von der »Gr<strong>und</strong>lagenkrise«der Wissenschaften. Sie betrifft allerdings nur die Gr<strong>und</strong>begriffeder einzelnen Wissenschaften. Sie ist keineswegs eineKrisis der Wissenschaft als solcher. Diese geht heute ihren Gangsicherer denn je.Das unzugängliche Unumgängliche, das die Wissenschaftendurchwaltet <strong>und</strong> so ihr Wesen ins Rätselhafte rückt, ist indessen 63weit mehr, nämlich wesenhaft Anderes als eine bloße Unsicherheitin der Ansetzung der Gr<strong>und</strong>begriffe, durch die jeweils denWissenschaften das Gebiet beigestellt wird? So reicht denn auchdie Beunruhigung in den Wissenschaften weit über die bloßeUnsicherheit ihrer Gr<strong>und</strong>begriffe hinaus. Man ist in den Wissenschaftenbeunruhigt <strong>und</strong> kann doch nicht sagen, woher <strong>und</strong>worüber trotz der mannigfachen Erörterungen über die Wissenschaften.Man philosophiert heute von den verschiedenstenStandpunkten aus über die Wissenschaften. Man trifft sich beisolchen Bemühungen von seiten der Philosophie mit den Selbstdarstellungen,die überall durch die Wissenschaften selbst in derForm zusammenfassender Abrisse <strong>und</strong> durch das Erzählen derWissenschaftsgeschichte versucht werden.Und dennoch bleibt jenes unzugängliche Unumgängliche imUnscheinbaren. Deshalb kann die Unscheinbarkeit des Sachverhaltsnicht nur darin beruhen, daß er uns nicht auffällt <strong>und</strong>daß wir ihn nicht beachten. Das Unscheinbare des Sachverhaltsgründet vielmehr darin, daß er selbst von sich her nicht zumVorschein kommt. Am unzugänglichen Unumgänglichen als solchemliegt es, daß es stets übergangen wird. Insofern das Unscheinbareein Gr<strong>und</strong>zug des genannten Sachverhalts selbst ist,wird er erst dann zureichend bestimmt, wenn wir sagen:f »Die Wissenschaft denkt nicht«g keine Frage der regionalen Ontologie

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