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Bedarfsorientierte Mindestsicherung und Aktivierung in Oberösterreich

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B E D A R F S O R I E N T I E R T E M I N D E S T S I C H E R U N Gwurde der Mythos der arbeitsscheuen SozialschmarotzerInnen bedient, was dazu führte, dassArbeitslosigkeit nicht primär auf strukturelle, sondern auf <strong>in</strong>dividuelle Ursachen zurückgeführtwurde. 38 Dies hat <strong>in</strong> der Folge mit dazu beigetragen, dass seit den 1990er Jahren Sanktionsmöglichkeiten<strong>und</strong> Zumutbarkeitsbestimmungen 39 für Arbeitslosengeld- <strong>und</strong> NotstandshilfebezieherInnensukzessive ausgebaut <strong>und</strong> gleichzeitig verschärft wurden. Dies steht <strong>in</strong> unmittelbaremZusammenhang mit dem generalisierenden Verdacht <strong>und</strong> der pauschalierten Unterstellung, dassarbeitslosen Menschen „eh nicht wirklich arbeiten“ <strong>und</strong> es sich <strong>in</strong> der sozialen Hängematte bequemmachen wollen. Seit 2004 genügt es nun nicht mehr nur „glaubhaft zu machen“, dass mane<strong>in</strong>e Arbeit sucht, sondern man muss dies auch „nachweisen“. Kann die Bereitschaft zur Arbeitssuchenicht nachgewiesen werden, so drohen Kürzungen bis h<strong>in</strong> zur Totalsperre des Arbeitslosengeldes.Von 1990 bis 2005 haben sich die Sperren des Arbeitslosengeldes verfünffacht,was auf e<strong>in</strong>e verschärfte Handhabung der Sanktionsmöglichkeiten seitens des AMS gegenüberArbeitslosen nahe legt. 40Nach Andree s<strong>in</strong>d die Verschärfung von Sanktionen <strong>und</strong> Zumutbarkeitsbestimmungen sehr kritischzu betrachten. Anstatt Arbeitslose zu motivieren <strong>und</strong> zu unterstützen, wird mit Sanktionen<strong>und</strong> Druck gearbeitet. Mit solch e<strong>in</strong>er Vorgehensweise relativiert sich der Begriff „Markt“ beimWort Arbeitsmarkt. Denn aufgr<strong>und</strong> der rigiden Zumutbarkeitsbestimmungen haben beispielsweisearbeitslose Menschen ke<strong>in</strong>e Möglichkeit mehr, ihre Arbeitskraft entsprechend ihren Qualifikationen,am Arbeitsmarkt anzubieten bzw. am Markt zu verkaufen. Sie müssen jede Arbeitsstelleannehmen, die „angemessen“ entlohnt ist, was <strong>in</strong> der Regel bei e<strong>in</strong>er kollektivvertraglicher Höheangenommen wird. Hierbei stellt sich die Frage, wen die Zumutbarkeitsbestimmungen schützensollen. ArbeitgeberInnen sche<strong>in</strong>en davon mehr zu profitieren. Ferner besteht die Gefahr e<strong>in</strong>erzunehmenden Abwärtsspirale, wenn die Arbeitslosen e<strong>in</strong>en niedrigeren Lohn akzeptieren müssen.Da künftige Leistungen wie Arbeitslosengeld immer an der zuletzt vorangegangenen Erwerbstätigkeitberechnet werden, wird das Arbeitslosengeld bei erneuter Arbeitslosigkeit immerweniger. 41 So wird nach Andree „der E<strong>in</strong>druck der Betroffenen, als Sündenböcke für e<strong>in</strong>e falschePolitik herhalten zu müssen, auch weiterh<strong>in</strong> bestätigt“. 42Während seit den 1980er Jahren E<strong>in</strong>kommensersatzleistungen tendenziell zurückgefahren wurden,wurde parallel dazu mit der 9. Novelle des AMFG e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für <strong>in</strong>novative <strong>und</strong> aktiveMaßnahmen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit gelegt. Es wurde die sogenannte „experimentelleArbeitsmarktpolitik“ mit dem Programmtitel „Aktion 8000“ etabliert. Dieses arbeitsmarktpolitischeFörderprogramm hatte die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen mit den Geldern derArbeitsmarktverwaltung <strong>in</strong> den Bereichen Kultur, Sozial- <strong>und</strong> Umweltschutz für Problemgruppenzum Ziel. Kernidee der Aktion war es Arbeitsplätze zu fördern, anstatt Arbeitslosengeld zu bezahlen.Zudem wurden weitere neue arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Arbeitsstiftungen,Beratungsangebote für spezifische Problemgruppen, Sozioökonomische Betriebe, Schulungen,usw. e<strong>in</strong>geführt. 43 Viele dieser „experimentellen“ Maßnahmen s<strong>in</strong>d bis heute wesentlicher Bestandteilder aktiven Arbeitsmarktpolitik. Insgesamt kann festgehalten werden, dass erstmalsbewusst aktive anstatt passive Instrumente fokussiert wurden, wenn auch vorerst nur für bestimmteProblemgruppen. Während der 1990er Jahre wurden jene Maßnahmen, die Erfolg ver-38 vgl. Atzmüller (2009a), S. 15439 Die „Zumutbarkeit“ ist im AlVG geregelt; nähere Details unter AMS (2012c), onl<strong>in</strong>e40 vgl. Atzmüller (2009a), S. 163ff41 vgl. Andree (2006), S. 278ff42 Andree (2006), S. 29543 vgl. Ludwig-Mayrhofer/ Wroblewski (2004), S. 492f u. Stelzer-Orthofer (2011), onl<strong>in</strong>e22 Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung Abschlussbericht

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