B E D A R F S O R I E N T I E R T E M I N D E S T S I C H E R U N GAbbildung 4: Die Flexicurity-Gr<strong>und</strong>sätze der EBS (Quelle: Zirra, 2012, S. 185)Die <strong>in</strong> Abbildung 2 dargestellten Maßnahmen zielen auf e<strong>in</strong>e Verbesserung der Arbeitsmarktsituationab. Beispielsweise sollen flexiblere Arbeitsverträge zur Bewältigung der Segmentationdes Arbeitsmarktes beitragen, da sie e<strong>in</strong>e bessere Vere<strong>in</strong>barkeit von Berufs- <strong>und</strong> Privatleben ermöglichen,so die Idee dah<strong>in</strong>ter. Insgesamt kann festgehalten werden, dass „statt e<strong>in</strong>es Arbeitsmarktesmit e<strong>in</strong>er hohen externen Flexibilität (…) nun flexible <strong>und</strong> verlässliche Arrangements, die<strong>in</strong>terne <strong>und</strong> arbeitszeitliche Flexibilität explizit e<strong>in</strong>schließen, e<strong>in</strong>en zentralen Stellenwert <strong>in</strong> demgesamteuropäischen Paradigma der Flexicurity e<strong>in</strong>genommen haben“. 53 Die Flexicurity-Strategiewurde auch von der österreichischen Regierung unter dem Slogan „Arbeitslose aktivieren, fördern<strong>und</strong> qualifizieren statt verwalten“ 54 sowie durch e<strong>in</strong>en verbesserten Schutz durch die E<strong>in</strong>beziehungvon sogen. atypischen Beschäftigungsverhältnissen <strong>in</strong> die Sozialversicherungspflicht(z. B. bei freien Dienstverträgen) aufgenommen.Anzumerken ist, dass Österreich die quantitativen europäischen Zielvorgaben recht präzise implementierthat. Das Arbeitsmarktservice hat beispielsweise das festgelegte Ziel, e<strong>in</strong>e <strong>Aktivierung</strong>squotevon zum<strong>in</strong>dest 20 Prozent der Arbeitslosen zu erreichen, aufgegriffen <strong>und</strong> umgesetzt. Seitdem Beitritt zur EU hat sich der Anteil der aktiven Maßnahmen im Arbeitsmarktbudget vervielfacht.55 Allerd<strong>in</strong>gs ist zeitgleich zu kritisieren, dass aufgr<strong>und</strong> der teils gravierenden Unterschiedezwischen den verschiedenen Wohlfahrtsstaatstypen es nicht anzunehmen ist, dass alle Mitgliedstaatendie Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien der EBS gleichermaßen umsetzen. E<strong>in</strong>zelne Ziele der EBS werdenoft genutzt, um eigene nationale Forderungen zu legitimieren. Dies ist deshalb möglich, weil essich bei der EBS um e<strong>in</strong>e sogenannte „soft-law“ Methode handelt, da sie für die Mitgliedstaatenunverb<strong>in</strong>dlich ist <strong>und</strong> bei Nichte<strong>in</strong>haltung de facto ke<strong>in</strong>e Sanktionen drohen. 5653 Zirra(2012), S. 18554 vgl. Ob<strong>in</strong>ger (2009), S. 361f55 vgl. Ludwig-Mayrhofer/ Wroblewski (2004), S. 493f56 vgl. Stöger (2011), S. 80f24 Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung Abschlussbericht
B E D A R F S O R I E N T I E R T E M I N D E S T S I C H E R U N G1.1.5. Aktive <strong>und</strong> aktivierende Arbeitsmarktpolitik: Ideen <strong>und</strong> KonzepteBetrachtet man die Entwicklung der österreichischen Arbeitsmarktpolitik im Ganzen, so können<strong>in</strong> Anlehnung an Tayloor-Gooby 57 <strong>in</strong>sbesondere drei Phasen des arbeitsmarktpolitischen Wandelsidentifiziert werden. In der ersten Phase, <strong>in</strong> Zeiten des Wirtschaftsw<strong>und</strong>ers, kam es zu e<strong>in</strong>emexzessiven Ausbau von wohlfahrtstaatlichen Leistungen. Die Arbeitsmarktlage war stabil<strong>und</strong> die Arbeitsmarktpolitik fokussierte hauptsächlich die Existenzsicherung jener Menschen,die aufgr<strong>und</strong> wirtschaftlicher Bed<strong>in</strong>gungen ke<strong>in</strong>en Platz im Erwerbsleben hatten. In der zweitenPhase, Ende der 1970er Jahre, kam es mit dem Aufkommen der Wirtschaftskrise allmählichzu e<strong>in</strong>em Kurswechsel, sowohl <strong>in</strong> der Arbeitsmarktpolitik an sich als auch <strong>in</strong> den öffentlichenDebatten über die Ursache von Arbeitslosigkeit. In der dritten Phase, mit bee<strong>in</strong>flusst von derneoklassischen Denkweise, ist dann e<strong>in</strong> gr<strong>und</strong>legender Paradigmenwechsel zu verzeichnen:„(…)from the traditional welfare state to the enabl<strong>in</strong>g 58 welfare state (…)“. 59 Damit verb<strong>und</strong>en war e<strong>in</strong>eneue Funktionszuschreibung der Arbeitsmarktpolitik „(…) which emphasises stronger work <strong>in</strong>centivesand employment assistance“. 60 Diese Neudef<strong>in</strong>ierung von Arbeitsmarktpolitik wird auchklar durch die Sprache zum Ausdruck gebracht, <strong>in</strong>dem man nicht mehr bloß von e<strong>in</strong>er „aktiven“,sondern von e<strong>in</strong>en „aktivierenden“ Arbeitsmarktpolitik spricht. 61 Damit soll ausgedrückt werden,dass wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen verstärkt auf <strong>in</strong>dividuelle Eigen<strong>in</strong>itiative <strong>und</strong> weniger aufstaatliche Interventionen fokussieren. Nach Stelzer-Orthofer ist der zögerliche Ausbau aktiver Arbeitsmarktpolitik<strong>in</strong> den 1990er Jahren nicht zuletzt auf die mediale Darstellung der Arbeitslosenzurückzuführen. Das Bild der Arbeitslosen als „arbeitsunwillige SchmarotzerInnen“ verfestigtesich zunehmend <strong>in</strong> der Gesellschaft. Die Folge waren Restriktionen <strong>und</strong> Sanktionen. Der Bezugvon Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Notstandshilfe wurden systematisch erschwert, um zu verh<strong>in</strong>dern,dass arbeitsunwillige Personen das soziale System „ausnützen“. 62 Es geht seit dieser Zeit nichtmehr primär um die Steuerung oder Veränderung wirtschaftlicher Abläufe <strong>und</strong> Marktstrukturen,<strong>in</strong>dem der Staat nach keynesianischer Ansicht nach aktiv <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt durch Ausdehnungder Nachfrage e<strong>in</strong>greifen soll. Vielmehr fokussiert sich die Arbeitsmarktpolitik vermehrt auf angebotsorientierteStrategien. Demnach müssen umfassend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen,um mit der Wettbewerbsfähigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalisierten Welt mithalten zu können. 63 D<strong>in</strong>geldeysubsumiert diese Entwicklung unten den Slogan „Vom fürsorgenden zum aktivierenden Wohlfahrtsstaat“<strong>und</strong> zeigt damit gleichzeitig die Problematik, die h<strong>in</strong>ter dem ambivalenten Begriff der„<strong>Aktivierung</strong>“ steckt, auf. 64Wie bereits erläutert f<strong>in</strong>det sich der Begriff der „<strong>Aktivierung</strong>“ derzeit <strong>in</strong> vielen wissenschaftlichen<strong>und</strong> politischen Debatten wieder. Generell herrscht <strong>in</strong> der Politik E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass die sozialeSicherung neu justiert werden muss, um sich an den veränderten Kontext anzupassen. DieseNeujustierung des Wohlfahrtsstaates ist <strong>in</strong>sbesondere an dem Leitbild der aktivierenden Arbeitsmarktpolitikerkennbar. 65 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik grenzt sich ganz bewusst von der passivenArbeitsmarktpolitik ab. Ganz allgeme<strong>in</strong> formuliert, zielt aktivierende Arbeitsmarktpolitik darauf57 vgl. Taylor-Gooby (2008)58 Me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>en befähigenden Staat bzw. aktivierenden Sozialstaats; e<strong>in</strong> Wandel vom Versorgungsanspruch zurEigenverantwortung59 D<strong>in</strong>geldey (2007a), S. 82560 Bonoli (2010), S. 44861 vgl. Bonoli (2010), S. 44862 vgl. Stelzer-Orthofer (2011), onl<strong>in</strong>e63 vgl. Atzmüller (2009b), S. 3364 vgl. D<strong>in</strong>geldey (2006), S. 3ff65 vgl. D<strong>in</strong>geldey (2007a), S. 2ffArbeit <strong>und</strong> Beschäftigung Abschlussbericht25