B E D A R F S O R I E N T I E R T E M I N D E S T S I C H E R U N Grung <strong>in</strong> das Erwerbsleben so weit wie möglich gefördert werden soll. 121 Es wird angenommen,dass jene Personen die BMS beziehen sowohl im erwerbsfähigen Alter als auch erwerbsfähigs<strong>in</strong>d. Dieser Standpunkt muss jedoch widerlegt werden, da e<strong>in</strong> Teil der BMS-BezieherInnen nichtim erwerbsfähigen Alter ist. Weiters s<strong>in</strong>d viele Personen zwar im erwerbsfähigen Alter, könnenaber aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung <strong>und</strong>/oder Krankheit nicht arbeiten gehen. E<strong>in</strong> dritter Personenkreisder von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen ist, s<strong>in</strong>d jene Personen, laut der 15a B-VG Vere<strong>in</strong>barung,die pflegebedürftige Angehörige betreuen oder für die K<strong>in</strong>derbetreuung zuständig s<strong>in</strong>d,weil ke<strong>in</strong>e geeigneten Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 122Arbeitsfähige Personen, die die <strong>Bedarfsorientierte</strong> <strong>M<strong>in</strong>destsicherung</strong> aufstockend zum Arbeitslosengeldbeziehen, s<strong>in</strong>d beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend vorgemerkt <strong>und</strong> somit <strong>in</strong>deren Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. 123 E<strong>in</strong>e Schwierigkeit bestand jedochbei erwerbslosen BMS-BezieherInnen ohne AMS-Anspruch. Diese Gruppe durfte zwar re<strong>in</strong>rechtlich die Angebote vom AMS <strong>in</strong> Anspruch nehmen, wurde aber praktisch von den Leistungenausgeschlossen. Für diese Personengruppe soll die <strong>Bedarfsorientierte</strong> <strong>M<strong>in</strong>destsicherung</strong> nun e<strong>in</strong>„Sprungbrett <strong>in</strong> die Beschäftigung“ werden. 124Als Gr<strong>und</strong>gedanke der <strong>Aktivierung</strong> gilt oft, dass die <strong>Aktivierung</strong> e<strong>in</strong> „Sprungbrett aus Armut <strong>und</strong>Abhängigkeit“ se<strong>in</strong> soll. 125 Daher hat sich auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Zusammenarbeit mit den Sozialbehördenergeben, da vor allem Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungse<strong>in</strong>richtungen geschaffen wurden,um BMS-BezieherInnen besser <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt zu <strong>in</strong>tegrieren. Demzufolge ergeben sichlaufende Gespräche <strong>und</strong> e<strong>in</strong> vermehrter Datenaustausch zwischen AMS <strong>und</strong> Sozialbehörden. 126Funktion des Arbeitsmarktservices„E<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Ausgestaltung der Maßnahmen ist entscheidend, damit sowohl der arbeitsmarktpolitischeErfolg als auch der Nutzen für den E<strong>in</strong>zelnen gegeben ist“. 127 Mit dieser Aussagesoll hervorgehoben werden, dass jede/-r E<strong>in</strong>zelne e<strong>in</strong>en Nutzen aus der <strong>Aktivierung</strong> ziehensoll <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e passende E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt möglich ist. Gr<strong>und</strong>sätzlich soll e<strong>in</strong>eInklusion <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt mit e<strong>in</strong>er sozialen Teilhabe e<strong>in</strong>hergehen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nstiftenden Charakterhaben. 128 Dennoch wird bei der Arbeitsvermittlung wenig bzw. nur sehr bescheiden daraufgeachtet, dass e<strong>in</strong> Arbeitsverhältnis auch mit e<strong>in</strong>em existenzsichernden E<strong>in</strong>kommen begründetwird. Oft entstehen zwischen ehemaligen BMS-BezieherInnen <strong>und</strong> ArbeitgeberInnen Dienstverhältnissemit e<strong>in</strong>em sehr ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>kommen, die direkt zu „Work<strong>in</strong>g Poor“ (Armut trotz Arbeit)führen können. 129Gr<strong>und</strong>sätzlich kann somit die <strong>Aktivierung</strong> auch als Workfare-Strategie verstanden werden, wobeidie Gefahr besteht, dass sich Anstellungsverhältnisse von ehemaligen BMS-BezieherInnen <strong>in</strong>sogenannte „Work<strong>in</strong>g Poor-Verhältnisse“ verwandeln. Denn oft bilden <strong>Aktivierung</strong>smaßnahmenke<strong>in</strong>en 100-prozentigen E<strong>in</strong>kommensschutz <strong>und</strong> prekäre Arbeitsverhältnisse bei niedrigem Lohn-121 vgl. Republik Österreich (o.J.), onl<strong>in</strong>e122 vgl. Die Armutskonferenz (2012), S. 31ff123 vgl. Mitter (2011), S. 83 <strong>und</strong> Die Armutskonferenz (2012), S. 32124 vgl. Die Armutskonferenz (2012), S. 32125 vgl. Mitter (2011), S. 83126 vgl. Bergmann/ Riesenfelder/ Sorger (2012), S. 45127 Woltran (2011), S. 133128 vgl. Wetzel (2011), S. 297129 vgl. Woltran (2011), S. 13238 Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung Abschlussbericht
B E D A R F S O R I E N T I E R T E M I N D E S T S I C H E R U N Gniveau steigen. Häufig schlagen sich dann Workfare-Ansätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen Abwärtsmobilitätder Betroffenen nieder. 1301.3.3. Arm trotz ArbeitE<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt ist, wie bereits erwähnt, e<strong>in</strong>es der Hauptziele der <strong>Bedarfsorientierte</strong>n<strong>M<strong>in</strong>destsicherung</strong>. Diese E<strong>in</strong>gliederung hat für die Betroffenen aber e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>genStellenwert, wenn die bezahlten Löhne <strong>und</strong> Gehälter zu niedrig zum Leben s<strong>in</strong>d. Immermehr Menschen s<strong>in</strong>d trotz Erwerbsarbeit von Armut betroffen. 131 Armut wird im Verhältnis zumdurchschnittlichen Wohlstand e<strong>in</strong>er Gesellschaft def<strong>in</strong>iert, wobei das Haushaltse<strong>in</strong>kommen alsGr<strong>und</strong>lage der Armutsbestimmung dient. Die Haushaltsmitglieder werden dabei unterschiedlichlaut Vorgabe der EU-Statistikbehörde Eurostat gewichtet. 132In <strong>Oberösterreich</strong> s<strong>in</strong>d r<strong>und</strong> 141.000 Menschen arm oder armutsgefährdet. Die Armutsschwelleliegt seit dem Jahr 2010 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>personenhaushalt bei 1.031 Euro monatlich. SozialreferentAckerl: „Bei der bedarfsorientierten <strong>M<strong>in</strong>destsicherung</strong> sowie zum Teil auch beim Arbeitslosengeldliegen wir noch deutlich unter dieser Armutsschwelle. Deshalb s<strong>in</strong>d spezialisierte Angebotebesonders wichtig, um die Menschen wieder <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>zugliedern zu können. Leiders<strong>in</strong>d <strong>in</strong> viel zu vielen Arbeitsverhältnissen (…) die bezahlten Löhne an oder nur knapp über dieserArmutsgrenze“. 133Generell kann gesagt werden, dass e<strong>in</strong>e Erwerbsarbeit das Armutsrisiko verr<strong>in</strong>gert. Jedoch trifftdas nur zu, wenn e<strong>in</strong> Arbeitsplatz mit e<strong>in</strong>er Existenzsicherung e<strong>in</strong>hergeht <strong>und</strong> Arbeitsvermittlungenoder Förderungen im Niedriglohnbereiche vermieden werden. 134 Das heißt, dass die Integration<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Erwerbsarbeit nicht mehr automatisch mit sozialer Sicherheit e<strong>in</strong>hergeht. 135 Insbesonderedie Zunahme der prekären Beschäftigungsverhältnisse trägt dazu bei, dass immer mehrMenschen trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet s<strong>in</strong>d. 136 E<strong>in</strong>e prekäre Beschäftigung liegt dannvor, wenn die ArbeitnehmerInnen mit ihrer Tätigkeit unter das, als gesellschaftlicher Standardanerkannte E<strong>in</strong>kommens-, Schutz- <strong>und</strong> Integrationsniveau, fallen. Weiters ist e<strong>in</strong>e prekäre Arbeitsubjektiv mit S<strong>in</strong>nverlusten, Anerkennungsdefiziten <strong>und</strong> Planungsunsicherheit verb<strong>und</strong>en. 137 PrekäreArbeit ist unsicher <strong>und</strong> <strong>in</strong>stabil <strong>in</strong> Bezug auf Arbeitszeit, Beschäftigungsdauer, Beschäftigungsortoder Entlohnung. 138Trotz allem kann Prekarität nicht mit e<strong>in</strong>er vollständigen Ausgrenzung aus dem Erwerbssystemgleichgesetzt werden. Vielmehr handelt es sich um e<strong>in</strong>en Begriff, dessen Bedeutung im Wesentlichenvon der Def<strong>in</strong>ition gesellschaftlicher Normalstandards abhängt. Der gesellschaftliche Normalstandardwird vorwiegend von den gesicherten Gruppen (unbefristete Vollzeitbeschäftigung)abgeleitet. 139130 vgl. Dimmel (2009), S. 36131 vgl. Amt der Oö. Landesregierung (2012), S. 5f132 vgl. Häfele/ Greussnig (2010), S. 32f133 vgl. Amt der Oö. Landesregierung (2012), S. 3134 vgl. Woltran (2011), S. 137135 vgl. Krenn (2011), S. 255136 vgl. AK Wien (2010), S. 3f137 vgl. Dörre (2007), S. 48138 vgl. Häfele/Greuss<strong>in</strong>g (2010), S. 15139 vgl. Dörre (2007), S. 48Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung Abschlussbericht39