KEM Konstruktion 11.2016
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WERKSTOFFE/VERFAHREN<br />
WERKSTOFFE<br />
Bild: teamgaebler.de<br />
Sie sind ein eingespieltes Team – im Leben und beim Sport: Roland Gäbler und seine in Dänemark geborene Ehefrau Nahid segeln seit 2009 zusammen<br />
Verbundwerkstoffe: Hightech-Materialien sorgen für mehr Leistung auf dem Wasser<br />
Tollkühne Menschen in fliegenden Booten<br />
Sie nutzen den Wind und trotzen den Wellen: Wenn Katamarane bei großen Sportevents über das<br />
Meer jagen, stockt den Zuschauern vor dem Fernseher der Atem. Künftig sollen die Segler direkt vor<br />
den Augen des Publikums über das Wasser fliegen. Segelprofi Roland Gäbler und Evonik bauen ein<br />
neues Highspeed-Boot, das in Landnähe gesegelt wird und schon bei leichtem Wind abhebt.<br />
Beim Segeln macht Roland Gäbler so schnell niemand etwas<br />
vor. Der Profisportler aus Bremen hat mehr als 70 internationale<br />
Meisterschaften gewonnen, ist mehrfacher Welt- und Europameister<br />
und holte Bronze bei den Olympischen Sommerspielen in<br />
Sydney. Einen Traum hat der 52-Jährige aber noch: Er möchte mit<br />
Segelsport Stadien füllen.<br />
„Viele Regatten finden weit weg vom Publikum statt, weil die Boote<br />
die Weite und den Wind des offenen Meeres brauchen“, sagt Gäbler.<br />
„Das tut mir im Herzen weh. Die Menschen sollen am Strand oder<br />
an der Kaimauer sitzen und die Katamarane sehen. Wie im Stadion,<br />
zum Greifen nah.“ Roland Gäbler meint das wörtlich. Auch wenn seine<br />
Muskeln nach einem Wettkampf schmerzen und nach einer heißen<br />
Dusche schreien, geht der 52-Jährige zu den Zuschauern, beantwortet<br />
Fragen, schreibt Autogramme. Segeln zum Anfassen<br />
nennt Gäbler das. Segeln für alle. Dass die Realität oft anders aussieht,<br />
weiß er genau.<br />
Roland Gäbler ist Kritiker und Fan zugleich. Er sprudelt über vor Begeisterung<br />
für die Kraft des Wassers und die Macht des Windes.<br />
Und dafür, dass Mensch und Natur beim Segeln zu Athletik und Artistik<br />
verschmelzen. „Die maritime Kultur liegt uns im Herzen“, sagt<br />
Gäbler und meint damit sich und seine Ehefrau Nahid, mit der er<br />
seit 2009 gemeinsam segelt.<br />
Schon einmal schien sein Traum vom Segeln für jedermann zum<br />
Greifen nahe. 2003 rief Gäbler die Champions Race ins Leben, eine<br />
Rennserie mit kurzen, spannenden Wettfahrten und großer Nähe<br />
zum Publikum. „Damals hatten die Boote nicht genug Power“, erinnert<br />
er sich heute, 13 Jahre später. Die Katamarane waren abhängig<br />
von den Launen des Windes. War der zu flau, in Landnähe keine Seltenheit,<br />
konnten sie nicht starten. Zum Leidwesen der Zuschauer.<br />
„Wer bleibt denn ein oder zwei Stunden sitzen in der Hoffnung,<br />
dass es doch noch losgeht? Niemand.“<br />
SpeedFoiler immun gegen Launen des Windes<br />
Der SpeedFoiler soll die alten Segel-Schwächen ausgleichen. Gemeinsam<br />
mit dem Essener Spezialchemiekonzern Evonik hat Gäbler<br />
einen Carbon-Katamaran entwickelt, der von zwei Personen gesegelt<br />
wird – in Landnähe. Dieser ist mit 7,62 m Länge und einem Gewicht<br />
von 178 kg vergleichsweise klein und leicht. Gleichzeitig verfügt<br />
das Boot über eine große Segelfläche. Ihm reicht schon leichter<br />
Wind, damit es über das Wasser fliegt.<br />
Foilen heißt das in der Seglersprache. Die Foils sehen aus wie gebogene<br />
Schwerter und befinden sich mittig unter den beiden Rümpfen.<br />
Sie funktionieren wie Flügel beim Flugzeug. Nimmt das Segelboot<br />
durch den Wind Fahrt auf, erzeugen die Foils Auftrieb und heben<br />
den Rumpf aus dem Wasser. Der Widerstand wird geringer, das<br />
Boot auf den Foils immer schneller. „Wir können eine Geschwindigkeit<br />
von 70 Kilometern pro Stunde erreichen – in Sichtweite der Zuschauer“,<br />
sagt Gäbler.<br />
Das geringe Gewicht des SpeedFoilers ist jedoch nur eine Seite der<br />
Medaille. Der Katamaran muss zugleich sehr stabil sein, um den Naturkräften<br />
zu trotzen. Wind und Wasser, Salz und Sonnenlicht dürfen<br />
ihm nichts anhaben. Das Spezialmaterial für den SpeedFoiler hat<br />
Evonik entwickelt und produziert: Für die Stabilität sorgen in ein<br />
Harz getränkte Carbonfasern. Sie sind so dünn wie ein menschli-<br />
110 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> 11 2016