KEM Konstruktion 11.2016
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PORTRÄT<br />
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PORTRÄT<br />
MAGAZIN<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Welche Bedeutung hat denn neben<br />
dem digitalen Zwilling einer ganzen Fabrik der eines<br />
einzelnen Antriebs?<br />
Maier: Für einen Verpackungsmaschinenhersteller steht<br />
natürlich die Simulation des Antriebsstrangs klar im Vordergrund.<br />
Er will die Integration in seine Maschine absichern<br />
(siehe Kasten Riemenkinematik). Das ist das Umfeld, in<br />
dem sich auch Lenze bewegt, hier dominiert der digitale<br />
Zwilling der Kinematik. Wir arbeiten daran, bestimmte Kinematiken<br />
als digitalen Zwilling aufzubauen und sukzessive<br />
zu verifizieren – bei uns sind das die von uns angebotenen<br />
zwölf Antriebs-Maschinenfunktionen. Dabei müssen wir<br />
uns durchaus mit sehr komplexen Kinematiken auseinander<br />
setzen – etwa der von Robotern oder auch schlaffen<br />
Riemen, die eine echte Herausforderung sind. Die Ergebnisse<br />
geben wir unseren Kunden dann natürlich auch an die<br />
Hand, beispielsweise in Form unseres Drive Solution Designers,<br />
kurz DSD, einem Werkzeug zur Auslegung von Antrieben.<br />
Damit lässt sich der Antriebsstrang dimensionieren<br />
und der Energieverbrauch berechnen, Modell und Realität<br />
stimmen schon ganz gut überein. Einige sehr komplexe Kinematiken<br />
können wir auf diesem Wege allerdings nicht<br />
anbieten, weil dann spezielles Know-how gefragt ist – hier<br />
ist unser Service gefragt, wir sind dann Dienstleister und<br />
simulieren das mit dem Kunden gemeinsam.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Handelt es sich bei der DSD-Software<br />
um eine Eigenentwicklung oder setzen Sie auch<br />
auf Standardsoftware zur Modellierung physikalischer<br />
Systeme?<br />
Maier: Beides – wenn es um die Antriebsdimensionierung<br />
geht, erstellen wir bestimmte Algorithmen lieber selber.<br />
Natürlich nutzen wir aber auch Tools wie Matlab Simulink<br />
für die regelungstechnischen Modelle oder SimulationX<br />
von ESI ITI wenn es darum geht, Mechanik zu simulieren.<br />
An dem Antriebsstrang ‚hängt ja etwas dran‘ – das gilt es<br />
natürlich auch zu simulieren. Und für thermische Simulationen<br />
nutzen wir Icepak von Ansys oder Flowtherm von<br />
Mentor Graphics. Bezüglich der elektromagnetischen Verträglichkeit<br />
existiert so etwas in Ansätzen, aber da gibt es<br />
sicher noch Raum für Verbesserug. In der Summe können<br />
wir also über die Simulation schon sehr gut prognostizieren,<br />
wie sich das Gerät tatsächlich verhält. Im Bereich Innovation<br />
haben wir beispielsweise einen Umrichter mit Siliziumkarbid-MOSFETs<br />
gebaut – was den Vorteil hat, dass<br />
man viel höhere Leistungsdichten erreicht und damit wesentlich<br />
kleiner bauen kann. Das Material hält mehr aus<br />
und ist wesentlich schneller als IGBTs. Die Thermik haben<br />
wir dabei gut im Griff, durch die steilen Flanken ist aber die<br />
elektromagnetische Verträglichkeit deutlich kritischer! Die<br />
ersten, die wir gebaut haben, waren bezüglich ihrer EMV-<br />
Charakteristik verheerend.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Lassen Sie uns abschließend einen<br />
Blick auf das Verhältnis von Mechanik und Elektrotechnik<br />
zu Software werfen. Wie viel Software steckt inzwischen<br />
in ihren Produkten?<br />
Maier: Software und Firmware zusammen machen zwischen<br />
30 und 40 Prozent aus. Softwarekompetenz ist für<br />
Lenze entscheidend, wobei die Anforderungen an das Softwareverständnis,<br />
an die Architektur nach wie vor enorm<br />
hoch sind. Mit Blick auf die verschiedenen Branchen, die<br />
wir adressieren, steckt das Ergebnis in unserer FAST Application<br />
Software Toolbox. Mit entsprechenden Softwarebibliotheken<br />
werden wesentliche Maschinenfunktionen abgedeckt,<br />
die sich per Plug&play in die Steuerung übernehmen<br />
lassen. Um es etwas ironisch zu sagen: Am Ende des<br />
„Viele Fehlermechanismen<br />
lassen sich über<br />
Sekundärparameter<br />
erkennen und<br />
präventiv abstellen.“<br />
Frank Maier,<br />
Mitglied des Vorstands,<br />
Lenze SE<br />
Tages ist das ein Versuch, in der steinzeitlichen 61131-<br />
Steuerungswelt eine Art Objekt-Orientierung zu realisieren<br />
– indem wir versuchen, Funktionen als Objekt zu kapseln.<br />
Dieser Prozess war ganz spannend, da wir an dieser Stelle<br />
unsere Applikationsentwickler aus der PLC-Welt mit den<br />
Softwareentwicklern zusammengebracht haben – nur auf<br />
diese Weise ließ sich die Kundenapplikationssicht sauber<br />
abbilden. Der Vorteil für den Anwender ist: Muss er ansonsten<br />
80 Prozent seiner Zeit in das grundlegende Software-Engineering<br />
stecken, genügen ihm mit FAST 20 Prozent<br />
– er gewinnt also Zeit für die eigentliche Wertschöpfung<br />
mit seinem Kern-Know-how.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>:<br />
Die Themen bleiben vielfältig<br />
und spannend –<br />
Herr Maier, wir danken<br />
für das ausführliche Gespräch.<br />
Interview:<br />
Michael Corban,<br />
Chefredakteur<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong><br />
Kontakt<br />
Lenze SE, Aerzen<br />
Tel. +49 5154 82-0<br />
www.lenze.com<br />
SPS IPC Drives: Halle 1, Stand 360<br />
Details zur FAST Application<br />
Software Toolbox:<br />
http://t1p.de/e1fl<br />
Bild: Sienk/Konradin Mediengruppe<br />
INFO<br />
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