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SPORTaktiv April 2019

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WAHNSINN<br />

IM WOHNZIMMER<br />

VOLLGAS OHNE<br />

FAHRTWIND, IN<br />

DER WOHNUNG<br />

HINAUF NACH ALPE<br />

D‘HUEZ. WAS TUT<br />

MAN NICHT ALLES<br />

FÜR DIE FORM<br />

UND DIGITALE BE-<br />

LOHNUNGEN DER<br />

EXTRAKLASSE?<br />

WILLKOMMEN IM<br />

ZWIFT-UNIVERSUM.<br />

TEXT: GEORG MICHL<br />

FOTOS: THOMAS POLZER<br />

Mit der einfallenden Frühlingssonne<br />

werden die Flecken<br />

im Parkettboden immer<br />

deutlicher sichtbar. An den Stirnseiten<br />

des Fischgrätmusters hat sich<br />

das Holz grün-gräulich verfärbt. Genau<br />

da, wo im Winter immer wieder<br />

Schweißlachen gestanden sind. Nun<br />

brauche ich zwar einen Teppich, aber<br />

immerhin stimmt erstmals meine<br />

Radform im Frühling – zumindest einigermaßen.<br />

Die ersten Ausfahrten<br />

an der frischen Luft waren kein völliges<br />

Desaster und der Allerwerteste ist<br />

auch auf den Sattel eingespielt.<br />

Der Grund: Ich zwifte. Sprich: Ich<br />

trete wie ein Gestörter in meinem<br />

Wohnzimmer in die Pedale und<br />

schaue einem mir – halbwegs – ähnelnden<br />

Computermenschlein zu, wie<br />

es auf dem Rad durch virtuelle Welten<br />

fährt. Und das macht auch noch richtig<br />

Spaß. Zwift ist eine Mischung aus<br />

Online-Plattform, Simulator und<br />

Trainingsprogramm, die in Kombination<br />

mit einem Laptop sowie Rollenoder<br />

Smarttrainer das Wintertraining<br />

auf eine neue Ebene gehoben hat.<br />

Denn die tatsächlich erbrachte Leistung<br />

auf dem eigenen Fahrrad wird in<br />

die virtuelle Welt übertragen. Wer im<br />

Wohnzimmer härter tritt, fährt im Internet<br />

schneller.<br />

Und weil es auch mehr Spaß macht,<br />

über den Äther gemeinsam zu fahren,<br />

kann man sich mit Freunden zur Ausfahrt<br />

verabreden, versuchen, mit Profis<br />

mitzuhalten, an Gruppenevents<br />

teilnehmen oder Rennen fahren. Für<br />

einige Rad-Puristen unter meinen<br />

Freunden ist der digitale Anreiz Blödsinn.<br />

Denn stundenlanges Fahren vor<br />

der weißen Wand würde neben den<br />

Muskeln auch den Charakter und die<br />

mentale Härte formen. Mir egal. Dafür<br />

bin ich nicht gemacht. Wenn ich<br />

mental an die Grenzen gehen will,<br />

schalte ich der zweieinhalb Jahre alten<br />

Tochter meiner Freundin während einer<br />

Folge „Peppa Wutz“ den Fernseher<br />

aus und sage: „Zähne putzen.“<br />

Das härtet auch ab.<br />

Da hinter Zwift kein selbstloses<br />

Programmier-Kollektiv steht, kostet<br />

es hartes Geld. Zwift ist ein florierendes<br />

Unternehmen, schaltet mittlerweile<br />

schon Werbung vor TV-Übertragungen<br />

von Profirennen und bei<br />

der Rad-WM in Innsbruck war das<br />

Zwift-Café samt zahlreicher Simulatoren<br />

ein angesagter Treffpunkt.<br />

14,99 Euro sind im Monat fällig.<br />

Nicht gerade wenig Geld, aber es<br />

wird auch was geboten. Neben Strecken<br />

in New York, London oder der<br />

Fantasiewelt Watopia wurden auch<br />

die WM-Kurse von Innsbruck und<br />

Richmond nachgebaut. Zusätzlich<br />

werden einzelne Trainingseinheiten<br />

und mehrwöchige Pläne angeboten,<br />

die auf unterschiedliche Ziele (Ausdauer<br />

oder Kraft) abgestimmt sind.<br />

Dabei müssen in den Einheiten diverse<br />

Aufgaben (Leistung, Trittfrequenz)<br />

erledigt werden, um sie erfolgreich<br />

abzuschließen und ein „Sternchen“<br />

sowie Punkte zu erhalten. Die Belohnung<br />

ist ein Triggerpunkt, auf dem<br />

der Erfolg von Zwift aufgebaut ist. Je<br />

mehr Kilometer und Höhenmeter in<br />

<strong>SPORTaktiv</strong><br />

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