Nr. 60 - Herbst 2016

eingerahmt, wie um den berühmten Gästen die Illusion
eines Schutzes vor den Blicken der Menge zu verschaffen.
Dabei kommen diese im Grunde genommen doch auch
hierher, um « erkannt » zu werden …
Und was ist eigentlich aus den Buchhändlern geworden,
die in diesem Quartier littéraire einen so hohen Stellenwert
hatten? Die Geschichte einer der bekanntesten
Buchhandlungen von Paris, La Hune, ist in dieser Beziehung
ein sehr aussagekräftiges Beispiel: Ursprünglich
war sie ideal zwischen dem Café de Flore und dem Deux
Magots platziert, am Boulevard Saint-Germain Nr. 170.
Diese legendäre Adresse, die sie seit ihrer Gründung in
der Nachkriegszeit innehatte, musste sie 2012 aus wirtschaftlichen
Gründen aufgeben. Sie zog einige Schritte
weiter, in viel bescheidenere Räumlichkeiten in der Rue
de l'Abbaye Nr. 18. Vor allem durch die stark gestiegenen
Mieten in diesem Viertel geriet La Hune 2015 jedoch erneut
in große wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste
endgültig die Türen schließen. Sie wurde durch ein Art
Librairie-Galerie ersetzt, die zwar immer noch denselben
Namen trägt, aber der Fotografie gewidmet ist. Heute gibt
es auf dem Boulevard Saint-Germain nur noch eine einzige
Buchhandlung: L'écume des pages. Wie lange noch?
Am ursprünglichen Platz von La Hune hat sich seit
2012 ein Geschäft eines anderen Genres niedergelassen.
Im Schaufenster präsentieren sich nun, selbstverständlich
in einem grundverschiedenen Ambiente, Luxustaschen
und Prêt-à-porter-Mode der Marke Louis Vuitton. Quasi
genau gegenüber, an der Ecke von Boulevard Saint-Germain
und Rue de Rennes, thronen die riesige Boutique
von Emporio Armani sowie das Emporio Armani Caffé,
und, ebenfalls gegenüber der Kirche Saint-Germain-des-
Prés, spricht der Luxusjuwelier Cartier seinerseits die gut
betuchte Kundschaft an, die man in diesem Viertel mittlerweile
antrifft.
Rund um die Kirche Saint-Germain-des-Prés ist nämlich
eine richtiggehende Pariser « Goldmine » entstanden,
die an die Avenue Montaigne und die Rue du Faubourg
Saint-Honoré erinnert. Ein weiterer Hinweis auf die
Veränderungen in diesem Viertel sind die Immobilienpreise.
Die in Saint-Germain-des-Prés haben inzwischen
Spitzenwerte erreicht: 12.000 Euro pro Quadratmeter
im Durchschnitt, bis zu 19.000 Euro für die Crème de la
Crème … Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, die
einstige Seele von Saint-Germain-des-Prés zu bewahren,
daran besteht kein Zweifel. Aber will man das überhaupt?
Wird der Einzug des Luxus in diesem Viertel überhaupt
negativ wahrgenommen?
Seit 1997 haben sich die für die intellektuelle und
künstlerische Seele von Saint-Germain-des-Prés so symbolträchtigen
Etablissements Café de Flore, Deux Magots
und Brasserie Lipp mit Vuitton, Cartier und Armani im
Comité Saint-Germain zusammengeschlossen. Paradoxerweise
hat man sich das Ziel gesetzt, alles dafür zu tun,
dass der Luxus nicht zu sehr überhandnimmt, um die
Seele des Viertels zu erhalten. Kultur und Geld Hand in
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