Nr. 60 - Herbst 2016
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt » Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ? Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt »
Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ?
Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere
Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ART DE VIVRE Musik<br />
Das unglaubliche Vermächtnis<br />
Die Werke des französischen<br />
Komponisten Maurice Ravel<br />
(1875-1937) gehören zu den meistgespielten<br />
der Welt. Man schätzt,<br />
dass sein berühmter Bolero alle<br />
zehn Minuten irgendwo auf der<br />
Erde aufgeführt wird. Ein Erfolg,<br />
der gigantische Urheberrechtsvergütungen<br />
nach sich zieht.<br />
Genaueres über deren Höhe zu<br />
erfahren, ist allerdings unmöglich.<br />
Die Anspruchsberechtigten, die<br />
in keiner verwandtschaftlichen<br />
Beziehung zum Komponisten<br />
stehen, haben daraus eines der<br />
bestgehüteten Geheimnisse im<br />
Bereich der klassischen Musik gemacht.<br />
Doch am 1. Mai ist der<br />
Bolero Gemeingut geworden.<br />
Jeder hat seitdem also das Recht,<br />
das Stück lizenzfrei aufzuführen.<br />
Die bisherigen Bezieher der Tantiemen<br />
versuchen, sich dem zu<br />
widersetzen. Bis jetzt ohne Erfolg.<br />
Abgesehen von diesen Streitigkeiten<br />
wurde nun allerdings durch<br />
einen Vorfall das Vermächtnis<br />
von Maurice Ravel als solches ins<br />
Licht der Öffentlichkeit gerückt,<br />
und dabei wurde offensichtlich,<br />
dass dies eine höchst seltsame<br />
Geschichte ist.<br />
Maurice Ravel am Klavier (1914).<br />
Die Angelegenheit hätte unbemerkt bleiben können. Doch Neugier<br />
und Hartnäckigkeit einiger leidenschaftlicher Musikliebhaber<br />
haben den Plan durchkreuzt und dazu geführt, dass im<br />
vergangenen Februar in New York in letzter Minute eine Versteigerung<br />
annulliert wurde. Bei dieser Auktion, die durch amerikanische Händler<br />
organisiert worden war, sollte ein unglaublicher Posten mit 1300 Partiturseiten<br />
und unveröffentlichten Werken von Maurice Ravel versteigert<br />
werden. Diese größte bisher bekannte Privatsammlung seiner Werke<br />
repräsentiert einen Schatz, von dem man annahm, er würde ruhig in der<br />
Schweiz im Tresor von Evelyne Pen de Castel ruhen, der wichtigsten<br />
Anspruchsberechtigten auf den Nachlass von Ravel und der Inhaberin<br />
der Urheberrechte an seinem Gesamtwerk. Die französische Zeitung Le<br />
Figaro, die davon Wind bekommen hatte und erstaunt darüber war, dass<br />
diese Sammlung verkauft werden sollte, ohne dass die französischen<br />
Kulturbehörden darüber informiert worden waren, recherchierte in dieser<br />
Angelegenheit als Erste und kontaktierte Evelyne Pen de Castel.<br />
Diese wollte sich jedoch weder zu den Gründen für den Verkauf äußern,<br />
noch dazu, wo sich die wertvollen Schriften befinden … « Aus gutem<br />
Grund », urteilte die Zeitung. « Es scheint, dass der Nachlass von Maurice<br />
Ravel ein klassisches Beispiel für kleine Arrangements ist, bei denen<br />
man sich nur wenig darum schert, dass das Werk des Komponisten ein<br />
nationales Kulturerbe darstellt …»<br />
Der Bolero ist das bekannteste von Ravels Werken. Sein weltweiter<br />
Erfolg ist unbestritten, egal ob man ihn nun fantastisch oder – aufgrund<br />
des repetitiven Rhythmus – nervtötend findet. Maurice Ravel<br />
hatte das Musikstück 1928 auf Wunsch einer Freundin und Mäzenin,<br />
der russischen Tänzerin Ida Rubinstein, komponiert, und es wurde<br />
noch im selben Jahr an der Opéra Garnier in Paris umgesetzt. In den<br />
knapp 90 Jahren seither haben die renommiertesten Orchester der Welt<br />
den Bolero gespielt, und er hat zahlreiche Choreografien inspiriert. Ein<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong>