Nr. 60 - Herbst 2016

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FRANKREICH HEUTE Gesellschaft Frauen und Männer, die sich für die deutsch-französische Freundschaft einsetzen Barbara Barberon-Zimmermann Mitbegründerin des deutsch-französischen Kulturfestivals arabesques Seit fünf Jahren wird jeweils am 22. Januar, dem Tag der deutsch-französischen Freundschaft, in Hamburg und der Metropolregion das deutsch-französische Kulturfestival arabesques eröffnet. Dies ist der Beginn einer Reihe kultureller Veranstaltungen (Konzerte, Filmvorführungen, Theatervorstellungen, Tanzspektakel, Debatten, Lesungen, Ausstellungen …), die insgesamt bis zu 30.000 Menschen anziehen. Das Ziel dieser deutsch-französischen Kooperation ist, sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache dafür zu sensibilisieren, wie die beiden Kulturen – aber auch andere – sich gegenseitig beeinflussen und bereichern. Barbara Barberon-Zimmermann ist Mitbegründerin dieses Festivals und stellt es Jahr für Jahr erneut mit viel Energie und Arbeitseinsatz auf die Beine. Ihre echte Leidenschaft für Frankreich und die deutschfranzösische Freundschaft gibt ihr die Kraft, diese zeitaufwändige Aufgabe couragiert zu bewältigen. Wir haben uns mit ihr unterhalten. Barbara Barberon-Zimmermann, Frankreich ist heute ein Teil Ihres Lebens. Wie kam es dazu? Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum ich Frankreich so liebe. Glauben Sie mir, diese Frage ist nicht leicht zu beantworten! Irgendwie ist es etwas, das ich immer gefühlt habe. Eine Art Leidenschaft, die allmählich in mir entstanden und mit mir gewachsen ist. Ich bin in der Nähe von Hannover geboren, also nicht gerade in unmittelbarer Nähe zur französischen Grenze. Aber wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, war diese bereits immer von kleinen Dingen geprägt, die einen Bezug zu Frankreich hatten: die zahlreichen Kochbücher mit französischen Rezepten in der Küche meiner Großmutter, das Béret, das mein Vater aufsetzte, sobald wir das Haus verließen, die französischen Ausdrücke, die meine Eltern benutzten … und vor allem die Urlaube in Frankreich! Die Zeit in der Bretagne, in Paimpol … das sind schöne Erinnerungen! Und dann sind Sie einem Franzosen begegnet … Genau. Ich lernte meinen Exmann ken- 72 · Frankreich erleben · Herbst 2016
nen. Seine Familie besaß ein Haus in der Touraine, in der Nähe von Chinon. Es ist lustig, ich erinnere mich, dass er am Anfang dachte, das Haus wäre absolut nichts für mich: Es lag abgelegen, in einem kleinen Dorf, mitten auf dem Land. Er war der Ansicht, dass das Haus mit Sicherheit zu einfach, zu « mittelalterlich » für eine junge Frau aus dem Norden wie mich sei … Doch sobald ich es gesehen hatte, schloss ich es sofort ins Herz. Ich habe mich darin sofort zu Hause gefühlt. Deshalb entschieden wir, dort einzuziehen. Und sind sieben Jahre geblieben. Wie war es, sich in einem kleinen Dorf in Frankreich zu integrieren? Ich verhehle nicht, dass es am Anfang nicht leicht war: Mein Schulfranzösisch war bei Weitem nicht ausreichend, um alleine zurechtzukommen. Hinzu kam, dass die Menschen hier, wie fast überall, mit einem eigenen Akzent sprechen. Im Dorf hat man die Angewohnheit, das « R » zu rollen. Eine solche französische Aussprache hatte ich bis dahin weder in der Schule noch sonst irgendwo gehört. Aber im Grunde genommen war es gar nicht schlimm, dass ich nicht immer alles verstand. Die Bewohner waren nett, und irgendwann kam ich dann auch gut zurecht. Ich erinnere mich daran, dass man bei meiner Ankunft noch oft vom Krieg sprach. Aber man gab mir immer zu verstehen, dass es gut sei, dass sich deutsch-französische Paare bildeten und dass die junge Generation die Vergangenheit hinter sich lassen könne. Ich habe mich schnell akzeptiert gefühlt, als ein Teil des Dorfes. Die Tatsache, dass die Mutter meines Exmannes ebenfalls Deutsche war und schon lange vor mir regelmäßig in dieses Dorf kam, hat sicherlich auch eine Rolle gespielt. Es hatte immer « eine Deutsche im Dorf » gegeben. Man war daran gewöhnt. Haben Sie sich in diesem Dorf wohlgefühlt? (Mit einem Lächeln) Aber natürlich! Ich denke noch heute wehmütig an diese Zeit zurück. Ich hätte es mir nicht vorstellen können, dass ich mich derart einem Ort verbunden fühlen kann. Die Touraine ist eine so angenehme Gegend. Die ästhetischen Häuser, die warme Farbe des Tuffsteins, das Licht, das Klima, die Schlösser … Es ist ein bisschen wie in einem Katalog, in dem man alle Dinge findet, die man mag. Dabei hatte ich eher das Bild einer etwas altmodischen Region im Kopf, in die Omas und Opas kommen, die sich für Schlösser begeistern … Aber da lag ich ganz falsch! Unser Leben war damals viel geruhsamer. Ich fühlte mich wohl, auch wenn es beruflich für mich nicht gerade einfach war, denn Arbeit war nur schwer zu finden. Schließlich konnte ich jedoch für Museen und für die Stadt Chinon arbeiten und Übersetzungen machen. Das angenehme und friedliche Leben von dort habe ich seitdem nirgendwo anders gefunden. Doch dann gingen Sie zurück nach Hamburg ... Ja, mein Vater wurde krank, ich wollte in seiner Nähe sein. Da Frankreich mir jedoch sehr fehlte, musste ich mich mit diesem Land beschäftigen, nun halt von Deutschland aus. Vielleicht war es meine Art, über die Arbeit wieder in diese Atmosphäre einzutauchen, die ich so liebte. Da ich im Verlagsbereich arbeitete, habe ich ein Buch geschrieben und veröffentlicht, das Frankreich und dem, was ich an dem Land liebe, gewidmet ist (Anm. d. Red.: Frankreich hören, das Frankreich-Hörbuch, Sprecher: Dietmar Mues, Silberfuchs Verlag). Gleichzeitig haben meine Kinder das Lycée français in Hamburg besucht. Dadurch habe ich viele deutsch-französische Paare kennengelernt. Dies war die Gelegenheit für mich, mich mit Menschen auszutauschen, die in der gleichen Situation waren wie ich, die verstanden, wie sehr mir Frankreich fehlte. Denn diesen Punkt konnten die meisten meiner deutschen Freunde nicht nachvollziehen. Es war, als hätte Frankreich sich in einem Teil meines Herzens eingenistet, und mir wurde schnell klar, dass dies immer so bleiben würde … Und dieser Teil von Frankreich musste sich ausdrücken … Genau. Ich wollte mit dieser Lust auf Frankreich, die ich verspürte, nicht alleine bleiben. Ich musste sie unbedingt mit anderen teilen. Es war stärker als ich: Auf die eine oder andere Art musste ich wieder eine Beziehung zu Frankreich herstellen. Da es nicht möglich war, wieder dorthin zurückzukehren, dort zu leben, wollte ich mich von Hamburg aus mit dem Land beschäftigen. Zunächst habe ich für eine deutsch-französische Vereinigung Abendveranstaltungen organisiert: französische Musik und Texte französischer Autoren, die auf Deutsch und Französisch präsentiert wurden. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Nicolas Thiébaud kennen, der mir vorgeschlagen hat, das Ganze auszuweiten und eine Konzertreihe mit Rahmenprogramm zu organisieren. Darauf hatte ich sofort Lust. Mit Unterstützung einer Stiftung haben wir dann arabesques kreiert. Woher kommt der Name arabesques? Am Anfang hatte Nicolas « Die drei Musketiere » vorgeschlagen. Ich fand das amüsant, aber auf der anderen Seite fand ich es dann doch etwas zu maskulin für ein Kulturfestival. Das Wort Arabeske ist in vielen Sprachen bekannt, vor allem im Bereich von Kunst und Kultur. Es bezeichnet verschiedene Kunstformen und hat sich uns als Symbol für dieses Festival an der Grenze zwischen den Kulturen und ihren Ausdrucksformen aufgedrängt. Welche Idee verfolgen Sie mit arabesques? Für Nicolas und mich geht es vor allem darum, verschiedene Sichtweisen und Kulturen miteinander zu konfrontieren. Alle Kulturen. Denn es ist so, dass wir die deutsch-französische Beziehung als eine wunderbare Quelle für die gegenseitige Bereicherung unserer beiden Völker ansehen, als ein wertvolles Bindeglied für die Zukunft unserer Kinder. Wir sind überzeugt davon, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit für Europa lebens- Frankreich erleben · Herbst 2016 · 73
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