Nr. 60 - Herbst 2016
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt » Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ? Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt »
Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ?
Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere
Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
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KULTURSCHOCK<br />
Liebe Mama, lieber Papa,<br />
seit meiner Ankunft in Paris vor einigen Wochen telefonieren<br />
oder mailen wir zwar regelmäßig, doch heute habe ich Lust,<br />
euch wieder einmal einen Brief zu schreiben. Da das Wetter sehr<br />
schön ist, nutze ich die Gelegenheit und sitze nun auf einer<br />
Bank in einem Pariser Park, wo ich diese Zeilen verfasse.<br />
Ich muss euch unbedingt von einem Vorfall berichten, den ich<br />
ganz erstaunlich finde. Gestern war es sehr heiß, und Freunde<br />
vom LYCÉE haben mir angeboten, mich ihnen abends im Square<br />
Violet anzuschließen. Das ist ein kleiner städtischer Park im<br />
15. Arrondissement, wie es in Paris noch viele andere gibt. Wir<br />
haben uns also für 20.30 Uhr verabredet, um dort ein kleines<br />
Picknick zu machen und die kühlere Abendluft zu genießen.<br />
Wie erwartet – schließlich sind wir ja in Frankreich – waren<br />
nicht alle meine Schulfreunde pünktlich zur vereinbar ten Zeit<br />
da. Aber das machte gar nichts. Wir haben in der Zwischen zeit<br />
einen ruhigen Ort gesucht, eine Rasenfläche in einer Ecke der<br />
Grünanlage, wo wir uns niederlas sen wollten. Gegen 21 Uhr,<br />
als endlich alle eingetrudelt waren, haben wir also Oliven,<br />
Brot, Käse, Wurst und so wei ter ausgepackt und mit dem Aperitif<br />
begonnen.<br />
Alles war bestens … bis zu dem Augenblick, als ein städtischer<br />
Angestellter, offensichtlich der Parkwächter, grell pfeifend<br />
durch den Park lief. Sofort sprangen meine Freunde auf und riefen:<br />
„Verdammt! Er schließt!“ Keine zwei Minuten später standen<br />
wir draußen vor dem Park, bepackt mit unseren Taschen, in der<br />
Hand noch Flaschen und gefüllte Gläser, und mussten zusehen,<br />
wie der Wächter das schwere Tor des Parks abschloss. „Jetzt ist<br />
geschlossen! Bis morgen!“, rief er uns noch zu, bevor er sich<br />
umdrehte und wegging.<br />
So hatte ich also Bekanntschaft mit einer der Pariser Eigenheiten<br />
gemacht: Nicht nur, dass die Parks hier alle mit hohen<br />
Gitterzäunen umgeben sind, sodass man sie nur an bestimmten<br />
Stellen betreten kann, drei Viertel der 390 städtischen<br />
Parks und Grünanlagen sind nachts dazu noch geschlossen!<br />
Beim Square Violet steht man ab 21.30 Uhr vor verschlossenen<br />
Toren, selbst wenn es noch taghell ist und man eigentlich<br />
gerade mit Freunden picknicken wollte ... Welch ein Schock<br />
für mich, wo ich doch daran gewöhnt bin, dass man die Berliner<br />
Parks rund um die Uhr ungehindert betreten kann.<br />
Und das ist noch nicht alles. Bei der Diskussion mit meinen<br />
Freunden über dieses Erlebnis habe ich erfahren, dass die Vorschriften<br />
für die Gärten und Parks in Paris noch viel komplexer<br />
sind ... Stellt euch vor: Picknicks sind zwar grundsätzlich erlaubt,<br />
aber nur, wenn es weniger als 30 Personen sind. Wird diese<br />
Zahl überschritten, benötigt man eine spezielle Genehmigung<br />
94 · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong>