Nr. 60 - Herbst 2016
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt » Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ? Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt »
Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ?
Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere
Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes
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löschen und beschloss, das Gut inklusive der Scheune zu<br />
verkaufen. Der Verkauf fand am 20. April 1791 in einer<br />
traditionellen Art und Weise statt, nämlich als sogenannte<br />
Vente à la Bougie (Auktion bei brennender Kerze), die<br />
heute noch in Frankreich in bestimmten Fällen praktiziert<br />
wird. Dies ist eine der spektakulärsten und für die Käufer<br />
stressigsten Arten der Versteigerung: Sie beginnt ganz<br />
normal, solange bis niemand mehr überbietet. Nun zündet<br />
der Notar eine erste Kerze beziehungsweise einen Docht<br />
an. Bis dieser abbrennt, dauert es nicht mehr als zwanzig<br />
Sekunden. Passiert in dieser Zeit nichts, wird ein zweiter<br />
Docht angezündet. Ist auch dieser heruntergebrannt, ohne<br />
dass ein weiteres Gebot abgegeben wurde, erhält der letzte<br />
Bieter den versteigerten Gegenstand. Gehen dagegen<br />
während des Abbrennens der Dochte weitere Gebote ein,<br />
wird der Preiskampf fortgesetzt und ein Docht nach dem<br />
anderen angezündet. Der Druck auf die Bieter ist groß, da<br />
es vorkommen kann, dass ein Docht ganz überraschend<br />
erlischt … Dann entscheidet der weiße Rauch unwiderruflich<br />
zugunsten des letzten Bieters. An jenem Tag im Jahr<br />
1791 wurde ein gewisser Monsieur Derouët Eigentümer<br />
der Grange de Meslay. Glücklicherweise handelte es sich<br />
dabei um einen Architekten aus Tours, dessen Intention es<br />
ganz und gar nicht war, die Gebäude abreißen zu lassen,<br />
um sie in einen riesigen Steinbruch unter freiem Himmel<br />
zu verwandeln und mit dem Material neue Bauwerke zu<br />
errichten, so wie dies in der damaligen Zeit oft der Fall<br />
war. Er hatte wohl ein Gespür dafür, dass das Gut eine<br />
interessante Immobilieninvestition sein würde, und wollte<br />
die Grange de Meslay und den Rest des Gutes erhalten.<br />
Eine Familienangelegenheit<br />
Es ist äußerst selten, dass ein Besitz in der Größenordnung<br />
der Grange de Meslay, die heute sogar als Monument<br />
Historique klassifiziert ist, in den Händen ein und<br />
derselben Familie bleibt. Und doch ist Patrick Lefebvre,<br />
der sie heute mit seiner Frau Claire unterhält und verwaltet,<br />
ein Nachfahre des Käufers aus dem Jahr 1791.<br />
Verständlicherweise sind die beiden von dem Ort total<br />
begeistert und leben in einem angrenzenden Haus. « Ich<br />
wurde vor 73 Jahren in Meslay geboren », präzisiert Patrick,<br />
den man problemlos zehn Jahre jünger schätzen<br />
würde. Sein Vater, ein Industrieller und Geschäftsmann,<br />
der den Großteil seiner Zeit in Paris verbrachte, hat ihm<br />
das gesamte Gut vermacht. Ein bemerkenswertes Erbe,<br />
Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong> · 59