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Nr. 60 - Herbst 2016

Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt » Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ? Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes

Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt »
Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ?
Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere
Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Val de Loire<br />

Von links nach<br />

rechts: Einer der<br />

renommiertesten<br />

Klavierstimmer,<br />

Denijs de Winter,<br />

kümmert sich vor<br />

jedem Konzert<br />

um die letzten<br />

Abstimmungen;<br />

der norwegische<br />

Pianist Leif Ove<br />

Andsnes bei<br />

einem Konzert<br />

in diesem Jahr;<br />

die freiwilligen<br />

Helfer beim<br />

Bearbeiten der<br />

Post; Patrick und<br />

Claire Lefebvre,<br />

die Besitzer<br />

der Grange.<br />

aber gleichzeitig ein folgenschweres, wie Patrick erläutert:<br />

« Das ganze Erbe meines Vaters ist in die Renovierung<br />

geflossen. Der Unterhalt von Meslay ist immens. Ständig<br />

fallen neue Arbeiten an. Alleine der Dachdecker arbeitet<br />

jedes Jahr drei bis sechs Wochen hier … » Vor allem<br />

eines ist Patrick schnell klar geworden: Das Gut ist mit<br />

130 Hektar zwar groß, doch <strong>60</strong> Hektar davon sind Wald,<br />

sodass die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nicht<br />

ausreichen, um die Kosten zu decken. Also war es wichtig,<br />

andere Einkommensquellen zu finden. Da war es ein<br />

fast unglaubliches Zeichen des Himmels, dass es zu einer<br />

entscheidenden Begegnung kam, die das Schicksal der<br />

Grange de Meslay gravierend veränderte.<br />

Einer der größten Pianisten des<br />

20. Jahrhunderts ist Feuer und Flamme<br />

Anfang der <strong>60</strong>er-Jahre unternahm der berühmte russische<br />

Pianist Sviatoslav Richter (1915-1997), der damals<br />

bereits als einer der größten Musiker des 20. Jahrhunderts<br />

galt, eine Frankreichtournee. Französische Freunde hatten<br />

von der Touraine geschwärmt, und da er neugierig geworden<br />

war, wollte er dort die berühmten Schlösser besuchen<br />

und sich gleichzeitig nach Möglichkeiten für Konzerte<br />

umsehen. Im Laufe der Besichtigungen war er jedoch<br />

immer mehr von der mangelhaften Akustik der Orte und<br />

dem, für sein Empfinden, oft zu spektakulären Aussehen<br />

enttäuscht. Richter gehörte zu den Menschen, die einfachen<br />

Dingen manchmal eine größere Bedeutung beimessen<br />

und sie daher bevorzugen. Für ihn konnte das Erfolgsrezept<br />

eines Konzertes ganz unspektakulär sein: « Nehmen<br />

Sie ein Klavier, laden Sie es auf einen Lkw und fahren Sie<br />

übers Land », schrieb er. « Lassen Sie sich Zeit, erkunden<br />

Sie die Gegend und halten Sie an einem netten Ort mit<br />

einer schönen Kirche an. Laden Sie das Klavier ab, unterhalten<br />

Sie sich mit den Einwohnern, geben Sie ein Konzert,<br />

schenken Sie den Menschen, die freundlicherweise<br />

gekommen sind, Blumen und fahren Sie wieder ab. » Als<br />

er in Tours ein Konzert gab, erzählte ihm Pierre Boille,<br />

ein befreundeter Architekt, von einer Scheune aus dem<br />

13. Jahrhundert ganz in der Nähe, die seinen Ansprüchen<br />

zu genügen schien: Es war die Grange de Meslay. Richter<br />

beschloss, unverzüglich dorthin zu fahren. Das war 1963,<br />

Mitte November, es war kalt und regnerisch und vermutlich<br />

der ungeeignetste Zeitpunkt, um diesen Ort zu besichtigen.<br />

Dessen ungeachtet war Richter bereits beim Betreten<br />

der Scheune Feuer und Flamme und beschloss, dort<br />

ein Festival der klassischen Musik zu veranstalten: « Als<br />

ich in die Scheune kam, war diese voll mit der Heuernte<br />

des Jahres, und überall lief Geflügel herum; trotzdem war<br />

ich auf der Stelle begeistert. » Am Ende seines Besuches<br />

äußerte sich Richter – zwischen Stroh und Hühnermist –<br />

eindeutig: « Hier will ich spielen! » Am 23. Juni 1964 gab<br />

der Maestro sein erstes Konzert und lancierte das Festival<br />

de la Grange de Meslay, das heute einen internationalen Ruf<br />

genießt. So hat Richters Begeisterung die Bestimmung<br />

der Scheune entscheidend verändert und die Holzkathedrale<br />

für die Lagerung von Weizen im Laufe der Jahre in<br />

einen regelrechten Musiktempel verwandelt.<br />

Eine Scheune als Symbol für<br />

musikalische Höchstleistungen<br />

Für den Hausherrn Patrick Lefebvre war diese Begegnung<br />

ein Wink des Schicksals. In den ersten Jahren stellte<br />

er die Grange de Meslay für das Festival zwar kostenlos<br />

zur Verfügung, doch der Erfolg der Veranstaltung bestärkte<br />

ihn darin, diesen einzigartigen Ort der Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen. Da der landwirtschaftliche Betrieb<br />

den Unterhalt der Scheune nicht sicherstellen konnte,<br />

visierte er eine Neuorientierung in Richtung Kultur und<br />

Vermietung an. Patrick und Claire verbrachten viel Zeit<br />

damit, in den Gebäuden Stromkästen, Generatoren und<br />

Verstärkeranlagen zu installieren, damit sie sowohl für<br />

<strong>60</strong> · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong>

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