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Nr. 60 - Herbst 2016

Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt » Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ? Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes

Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich lebt »
Saint-Germain-des-Près: die Seele von Paris ?
Occitanie; Sigean: das Reservat der Glücklichen Tiere
Chantals Rezept: Tarte d'automne aux champignons à la farine de châtaignes

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nen. Seine Familie besaß ein Haus in der Touraine, in der<br />

Nähe von Chinon. Es ist lustig, ich erinnere mich, dass er<br />

am Anfang dachte, das Haus wäre absolut nichts für mich:<br />

Es lag abgelegen, in einem kleinen Dorf, mitten auf dem<br />

Land. Er war der Ansicht, dass das Haus mit Sicherheit<br />

zu einfach, zu « mittelalterlich » für eine junge Frau aus<br />

dem Norden wie mich sei … Doch sobald ich es gesehen<br />

hatte, schloss ich es sofort ins Herz. Ich habe mich darin<br />

sofort zu Hause gefühlt. Deshalb entschieden wir, dort<br />

einzuziehen. Und sind sieben Jahre geblieben.<br />

Wie war es, sich in einem kleinen Dorf in Frankreich zu integrieren?<br />

Ich verhehle nicht, dass es am Anfang nicht leicht war:<br />

Mein Schulfranzösisch war bei Weitem nicht ausreichend,<br />

um alleine zurechtzukommen. Hinzu kam, dass die Menschen<br />

hier, wie fast überall, mit einem eigenen Akzent<br />

sprechen. Im Dorf hat man die Angewohnheit, das « R »<br />

zu rollen. Eine solche französische Aussprache hatte ich<br />

bis dahin weder in der Schule noch sonst irgendwo gehört.<br />

Aber im Grunde genommen war es gar nicht schlimm,<br />

dass ich nicht immer alles verstand. Die Bewohner waren<br />

nett, und irgendwann kam ich dann auch gut zurecht. Ich<br />

erinnere mich daran, dass man bei meiner Ankunft noch<br />

oft vom Krieg sprach. Aber man gab mir immer zu verstehen,<br />

dass es gut sei, dass sich deutsch-französische Paare<br />

bildeten und dass die junge Generation die Vergangenheit<br />

hinter sich lassen könne. Ich habe mich schnell akzeptiert<br />

gefühlt, als ein Teil des Dorfes. Die Tatsache, dass die<br />

Mutter meines Exmannes ebenfalls Deutsche war und<br />

schon lange vor mir regelmäßig in dieses Dorf kam, hat<br />

sicherlich auch eine Rolle gespielt. Es hatte immer « eine<br />

Deutsche im Dorf » gegeben. Man war daran gewöhnt.<br />

Haben Sie sich in diesem Dorf wohlgefühlt?<br />

(Mit einem Lächeln) Aber natürlich! Ich denke noch<br />

heute wehmütig an diese Zeit zurück. Ich hätte es mir<br />

nicht vorstellen können, dass ich mich derart einem Ort<br />

verbunden fühlen kann. Die Touraine ist eine so angenehme<br />

Gegend. Die ästhetischen Häuser, die warme Farbe<br />

des Tuffsteins, das Licht, das Klima, die Schlösser … Es<br />

ist ein bisschen wie in einem Katalog, in dem man alle<br />

Dinge findet, die man mag. Dabei hatte ich eher das Bild<br />

einer etwas altmodischen Region im Kopf, in die Omas<br />

und Opas kommen, die sich für Schlösser begeistern …<br />

Aber da lag ich ganz falsch! Unser Leben war damals viel<br />

geruhsamer. Ich fühlte mich wohl, auch wenn es beruflich<br />

für mich nicht gerade einfach war, denn Arbeit war<br />

nur schwer zu finden. Schließlich konnte ich jedoch für<br />

Museen und für die Stadt Chinon arbeiten und Übersetzungen<br />

machen. Das angenehme und friedliche Leben<br />

von dort habe ich seitdem nirgendwo anders gefunden.<br />

Doch dann gingen Sie zurück nach Hamburg ...<br />

Ja, mein Vater wurde krank, ich wollte in seiner<br />

Nähe sein. Da Frankreich mir jedoch sehr fehlte, musste<br />

ich mich mit diesem Land beschäftigen, nun halt von<br />

Deutschland aus. Vielleicht war es meine Art, über die<br />

Arbeit wieder in diese Atmosphäre einzutauchen, die ich<br />

so liebte. Da ich im Verlagsbereich arbeitete, habe ich ein<br />

Buch geschrieben und veröffentlicht, das Frankreich und<br />

dem, was ich an dem Land liebe, gewidmet ist (Anm. d.<br />

Red.: Frankreich hören, das Frankreich-Hörbuch, Sprecher:<br />

Dietmar Mues, Silberfuchs Verlag). Gleichzeitig haben<br />

meine Kinder das Lycée français in Hamburg besucht.<br />

Dadurch habe ich viele deutsch-französische Paare kennengelernt.<br />

Dies war die Gelegenheit für mich, mich mit<br />

Menschen auszutauschen, die in der gleichen Situation<br />

waren wie ich, die verstanden, wie sehr mir Frankreich<br />

fehlte. Denn diesen Punkt konnten die meisten meiner<br />

deutschen Freunde nicht nachvollziehen. Es war, als hätte<br />

Frankreich sich in einem Teil meines Herzens eingenistet,<br />

und mir wurde schnell klar, dass dies immer so bleiben<br />

würde …<br />

Und dieser Teil von Frankreich musste sich ausdrücken …<br />

Genau. Ich wollte mit dieser Lust auf Frankreich, die<br />

ich verspürte, nicht alleine bleiben. Ich musste sie unbedingt<br />

mit anderen teilen. Es war stärker als ich: Auf die<br />

eine oder andere Art musste ich wieder eine Beziehung<br />

zu Frankreich herstellen. Da es nicht möglich war, wieder<br />

dorthin zurückzukehren, dort zu leben, wollte ich mich<br />

von Hamburg aus mit dem Land beschäftigen. Zunächst<br />

habe ich für eine deutsch-französische Vereinigung<br />

Abendveranstaltungen organisiert: französische Musik<br />

und Texte französischer Autoren, die auf Deutsch und<br />

Französisch präsentiert wurden. Bei dieser Gelegenheit<br />

lernte ich Nicolas Thiébaud kennen, der mir vorgeschlagen<br />

hat, das Ganze auszuweiten und eine Konzertreihe<br />

mit Rahmenprogramm zu organisieren. Darauf hatte ich<br />

sofort Lust. Mit Unterstützung einer Stiftung haben wir<br />

dann arabesques kreiert.<br />

Woher kommt der Name arabesques?<br />

Am Anfang hatte Nicolas « Die drei Musketiere » vorgeschlagen.<br />

Ich fand das amüsant, aber auf der anderen<br />

Seite fand ich es dann doch etwas zu maskulin für ein<br />

Kulturfestival. Das Wort Arabeske ist in vielen Sprachen<br />

bekannt, vor allem im Bereich von Kunst und Kultur. Es<br />

bezeichnet verschiedene Kunstformen und hat sich uns als<br />

Symbol für dieses Festival an der Grenze zwischen den<br />

Kulturen und ihren Ausdrucksformen aufgedrängt.<br />

Welche Idee verfolgen Sie mit arabesques?<br />

Für Nicolas und mich geht es vor allem darum, verschiedene<br />

Sichtweisen und Kulturen miteinander zu<br />

konfrontieren. Alle Kulturen. Denn es ist so, dass wir<br />

die deutsch-französische Beziehung als eine wunderbare<br />

Quelle für die gegenseitige Bereicherung unserer beiden<br />

Völker ansehen, als ein wertvolles Bindeglied für die Zukunft<br />

unserer Kinder. Wir sind überzeugt davon, dass die<br />

deutsch-französische Zusammenarbeit für Europa lebens-<br />

Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong> · 73

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