Nr. 60 - Herbst 2016

nicht standhalten konnte, gibt es heute
nur noch fünf oder sechs Johnnies, die
nach wie vor auf diese besondere Weise
« haus ieren » gehen.
Das Maison des Johnnies et de l’oignon
de Roscoff erinnert an sie und daran,
wie sie zum Aufschwung der ehemals
schwachen Wirtschaft der Region beigetragen
haben. Gwyn Griffiths war an
der Gründung dieses Museums beteiligt.
Der ehemalige Journalist der BBC hat
sich immer für die Bretagne begeistert
und war einer der Ersten, der sich für die
Geschichte der Johnnies interessiert hat.
Mittlerweile ist er ein richtiggehender
Spezialist für dieses Thema geworden
und hat ihnen sogar ein Buch gewidmet
(Le Monde des Johnnies, Editions le Télégramme).
Seiner Meinung nach müssten
die Franzosen den bretonischen Johnnies
viel mehr Anerkennung zollen, als es tatsächlich
der Fall ist. Zumindest sollten sie
ihre Geschichte kennen. « Es ist schade,
wenn man bedenkt, dass die rosa Zwiebel
aus Roscoff in Großbritannien mehr
geschätzt wird als in Paris. Hätte es die
Johnnies nicht gegeben, die sie vermarktet
haben, wäre sie dabei, zu verschwinden. »
Die Tatsache, dass die Erinnerung an
die Johnnies jenseits des Ärmelkanals in
den Köpfen der Menschen immer noch
lebendig ist, beruhigt ihn. Er berichtet
von einer Zeichnung, die deren Symbolik
anschaulich illustriert: « Am Tag des
Durchstichs des Ärmelkanaltunnels, als
sich unter dem Meer, irgendwo zwischen
Dover und Calais, die Arbeiter aus beiden
Ländern begegnet sind, habe ich eine
Karikatur gesehen, die mit dem bekannten
Image der Johnnies gespielt hat: Ein
Fahrradfahrer durchquert den Tunnel,
den Lenker mit Zwiebeln beladen, ein
Baguette in der einen Tasche, eine Flasche
Wein in der anderen … » Auch ein
anderes Beispiel zeugt von der Zuneigung
der Engländer zu den Johnnies. Diesmal
ist es eine Szene aus der Sitcom ’Allo ’Allo!
des englischen Fernsehsenders BBC. « Sie
spielt in einem Pariser Bistro, das von
Mitgliedern der Résistance geführt wird
und in dem auch Deutsche verkehren. In
einer Episode verkleiden sich die Deutschen
als französische Bauern, genauer
gesagt als bretonische Zwiebelhändler!
Für einen Durchschnittsbriten repräsentieren
bretonische Zwiebelhändler also
die Franzosen, während sie vielen Franzosen,
vielleicht sogar manchen Bretonen,
nichts sagen. » Gwyn Griffiths hat sich in
England immer darüber amüsiert, dass
nur wenige Franzosen diesen Teil der Geschichte
kennen, die doch ihre eigene ist.
Das Bild des Zwiebelhändlers – der mehr
als ein Jahrhundert lang im Normalfall
der einzige Franzose war, den ein Engländer
im Laufe seines Lebens traf – hat
einen hohen Wiedererkennungseffekt.
Dagegen kann es vorkommen, dass Südfranzosen
etwas verständnislos äußern:
« Wir verstehen, warum man Franzosen
mit Baguette und Wein symbolisiert, auch
Schnecken oder Frösche sind klar, aber
warum stellt man uns mit einem Fahrrad
und Zwiebeln dar? » Auch heute noch
kennen viele Franzosen diese Geschichte
nicht. Zögern Sie also nicht, sie ihnen zu
erzählen. Sie aus dem Mund anderer Europäer
zu hören, würde die letzten Johnnies,
diese mutigen Bretonen, für die der
Freihandel mit England schon lange eine
ganz normale Angelegenheit gewesen ist,
sicherlich zum Schmunzeln bringen …
Maison des Johnnies
et de l’oignon de Roscoff
48, rue Briseur
29680 Roscoff
Telefon: + 33 (0)2 98 61 25 48
www.roscoff.fr
Frankreich erleben · Herbst 2016 · 81