Diplomarbeit von Michael Schindler
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74 3. Neuronale Gewöhnung in Aplysia californica<br />
(a)<br />
Transmittervesikel<br />
Ca ++ -Ion<br />
Normalzustand<br />
Calciumkanal<br />
Natriumkanal<br />
(b)<br />
Sensitivierung<br />
cAMP<br />
exzitatorisches<br />
Interneuron<br />
(c)<br />
Gewöhnung<br />
Abbildung 40: Molekulare Grundlage der Gewöhnung und Sensibilisierung. Die Sensitivierung entspricht<br />
einer erhöhten Ca ++ -Konzentration, die durch molekulare Prozesse durch das Interneuron<br />
ausgelöst werden. Die Gewöhnung beruht dagegen auf Ca ++ -Verarmung.<br />
Sensitivierung<br />
Der gegenteilige Effekt zur Gewöhnung ist ebenfalls beobachtbar. Durch einen gleichzeitigen<br />
Schlag auf den Kopf oder den Schwanz der Aplysia kann der Kiemenreflex auch<br />
in der Gewöhnungsphase wiederhergestellt werden. Bailey & Kandel (1985) schlagen<br />
dafür einen molekularen Mechanismus vor, der durch zyklisches Adenosinmonophosphat<br />
(cAMP) die Öffnung der Ca ++ -Kanäle steuert. Abb. 40b zeigt die Verbindung<br />
eines steuernden Interneurons mit der Synapse eines Sensorneurons, das an einem Motorneuron<br />
anliegt (sog. Synapsen–Synapsen-Verbindung). Durch eine Kette <strong>von</strong> biochemischen<br />
Vorgängen wird die Ca ++ -Konzentration im Endknöpfchen erhöht, was zu<br />
verstärkter Ausschüttung <strong>von</strong> Neurotransmittern führt. Die Interneuronen können also<br />
direkt Einfluss auf die Effektivität der Synapsen zu den Motorneuronen nehmen.<br />
Abstraktionen<br />
Selbstverständlich sind die Prozesse der Gewöhnung und Sensitivierung hier nur schematisch<br />
zusammengefasst. In Hinblick auf die Lernsituation eines univar-Netzwerkes<br />
lässt sich dieses Verhaltensmuster noch weiter abstrahieren.<br />
Bei jedem Reiz, der <strong>von</strong> den Sensorzellen weitergeleitet wird, entscheidet das Interneuron<br />
aufgrund seiner zusätzlichen Information über die Umwelt (eventuelle Schläge auf<br />
den Kopf etc.), ob das Reizmuster am Siphon relevant ist oder nicht. Bei irrelevanten<br />
Reizen sorgt es dafür, dass die synaptischen Endknöpfchen langsam an Ca ++ verarmen,<br />
während es bei einem relevanten Reiz die Ca ++ -Konzentration schlagartig wiederherstellt.<br />
Übertragen auf das univar-Netzwerk ergeben sich zwei wichtige Änderungen am<br />
bisherigen Vorgehen, das auf der neuronalen Interpretation in Abschnitt 1.2 beruhte:<br />
Es werden nicht mehr einheitlich normierte Reize präsentiert, sondern unterschiedlich<br />
abgeschwächte. Dies hebt die Annahme (1-62) auf.<br />
Die aktuelle Normierung eines Reizes hängt nicht allein <strong>von</strong> seiner eigenen Beschaffenheit<br />
ab, sondern – wie bei Aplysia – auch vom momentanen Zustand des Netzes<br />
und <strong>von</strong> seiner Geschichte. Die Normierung geschieht selbstreferentiell.