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TOP 500 | INTERVIEW „Wenn der Druck zu groß wird, explodiert der Topf “ Interview. Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl im ECHO Interview über die Teuerung und deren Belastung für die Bevölkerung, Maßnahmen gegen die momentanen Entwicklungen und die Forderungen an die neue Landesregierung. 20 ECHO TOP 500 UNTERNEHMEN 2019
Fotos: AK/Friedle ECHO: Die Gehaltsverhandlungen sind gerade im Laufen. Die Gewerkschaften fordern eine Erhöhung von über zehn Prozent. Ist diese Forderung Ihrer Meinung nach angemessen oder überzogen? Erwin Zangerl: Man muss klar sagen, dass hier ja auf Basis der Inflation der vergangenen zwölf Monate verhandelt wird. Und auf Basis dieser Entwicklung will man versuchen, die Lohneinbußen aufzuholen, was ja nicht möglich sein wird. Letztlich bildet sich in den Lohnverhandlungen nur die Vergangenheit ab, die Zukunft wird aber weit schwieriger werden. Die Inflation wird, laut Experten, weiter steigen. Der Reallohnverlust in Österreich, der mit 4,2 Prozent weit über dem EU- Durchschnitt liegt, ist ohnehin der größte Verlust seit Beginn der Analyse im Jahr 1955 und diese Entwicklung würde sich sogar bei dem geforderten Lohnabschluss von 10,6 Prozent nicht wesentlich verbessern. Dabei hinkt Österreich bei den Löhnen ohnehin hinterher. Eines muss aber auch der Wirtschaft klar sein: Reallohnverlust heißt Kaufkraftverlust. Und es bedeutet, dass sich aufgrund der Teuerung immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Die hohe Inflation muss ihren Niederschlag in höheren Löhnen finden. Deshalb sind diese Forderungen verständlich. ECHO: Sollten die Antiteuerungsmaßnahmen der Regierung in den Lohnverhandlungen berücksichtigt werden und damit die Erhöhungen geringer ausfallen? Zangerl: Die Erfahrung zeigt ja ohnehin, dass es immer zu einem Kompromiss kommt. Noch nie wurde die ursprüngliche Forderung, mit der die Arbeitnehmervertreter in Verhandlungen gingen, erfüllt. Außerdem haben sich die Arbeitnehmervertreter in den schwierigen Corona-Jahren überaus fair verhalten und haben keinen Arbeitskampf vom Zaun gebrochen, obwohl diese Jahre für hunderttausende Beschäftigte massiv belastend waren. Wenn die Regierung nun Soforthilfen ausschüttet, das meiste davon ohnehin in Form von Einmalzahlungen, warum sollte sich das auf die Lohnverhandlungen auswirken? Es ist doch ein gravierender Unterschied, wenn sie Monat für Monat 100 Euro netto weniger verdienen, nur weil sie einmalig einen 500-Euro-Bonus bekommen haben. Dieser Bonus verpufft ja ohnehin angesichts der enormen Teuerungswelle innerhalb kürzester Zeit und ist nur als Soforthilfe zu verstehen, die noch dazu ungerecht verteilt ist. Was den Menschen aber wirklich helfen würde, ist mehr Lohn auf ihrem Konto. ECHO: Zahlreiche Unternehmen suchen Mitarbeiter und können diese offenbar nicht finden, sowohl im Bereich der Facharbeiter als auch bei ungelernten Arbeitskräften. Kann die Politik überhaupt etwas dagegen tun? Zangerl: Dass die Politik oder der Staat in den geheiligten Markt eingreifen, gilt ja gerade in der Wirtschaft als verpönt. Umso interessanter ist es, dass ausgerechnet von ihr immer der Ruf nach einem Eingreifen kommt, wenn Feuer am Dach ist, so auch beim Arbeitskräftemangel. Letztlich legt ja die Politik die Rahmenbedingungen für diesen „Markt“ fest. Das reicht von wie hoch ich den Faktor Arbeit besteuere, wie gründerfreundlich das System ist, wieviel Bürokratie wirklich notwendig ist, bis hin zu den Arbeitsrechtsgesetzen. Und sie kann natürlich in den Markt eingreifen, was sie ja auf die eine oder andere Weise ständig macht bzw. gemacht hat. Die Frage ist nur, ob das zum Wohl vieler geschieht oder nur zum Wohl einer kleinen Klientel. Das macht den Unterschied. Aber eigentlich ist es Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, von denen möglichst viele profitieren. „Wir haben bereits im Dezember 2021 Vorschläge gemacht, wie gegen die Teuerung vorgegangen werden kann.“ Erwin Zangerl ECHO: Ist Zuwanderung ein Mittel, um mehr Arbeitskräfte zu finden? Zangerl: Zuerst sind die Hausaufgaben innerhalb Österreichs zu machen. Wir haben hier in Wirklichkeit ein großes Arbeitskräftepotenzial, seien es ältere Arbeitnehmer oder die große Zahl jener, die in Teilzeit arbeiten. Es geht hier um die Rahmenbedingungen, die sich ändern müssen, etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es braucht steuerliche Anreize, um auf Vollzeit umzusteigen, Qualifizierungsmaßnahmen oder mehr Möglichkeiten für Frauen, die ja großteils auch für die Erziehung bzw. Pflege Angehöriger verantwortlich sind. Zum Thema Zuzug nur ein Beispiel: In Österreich gibt es die Rot-Weiß- Rot-Karte, die bisher mit soviel Bürokratie verbunden war, dass nur etwa 5.500 davon ausgestellt wurden. Ein qualifizierter Zuzug in diesem Sinne ist zwar für den österreichischen Arbeitsmarkt unabdingbar, wobei 5.500 Personen den Arbeitskräftemangel in Österreich nicht beheben werden, ich bin aber dagegen, Menschen zu uns zu holen, die dann als Lückenbüßer für fehlendes Personal herhalten müssen, ohne dass sich innerhalb der betroffenen Branchen etwas ändert, wie Löhne, Arbeitszeiten oder die Einhaltung arbeitsrechtlicher Bestimmungen. ECHO: Was könnte in Tirol gegen die Teuerung vor allem im Bereich der Energie getan werden? Zangerl: Wir haben gemeinsam mit dem Leiter der Antiteuerungs-Kommission, Anton Mattle, die Strompreisbremse ins Spiel gebracht, die letztlich vom Bund umgesetzt wurde. Diese soll tirolweit einheitlich für einen niedrigeren Energiepreis sorgen. Ansonsten wäre die neue Landesregierung gut beraten, sich beim Energiethema auf einen breiten Konsens im Landtag zu einigen und ECHO TOP 500 UNTERNEHMEN 2022 21
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