09.05.2023 Aufrufe

ECHO Top500 2022

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

TOP 500 | INTERVIEW<br />

„Der Staat ist nicht für alles verantwortlich, es<br />

hat auch früher härtere Zeiten gegeben“<br />

Veränderung<br />

<strong>ECHO</strong>: Wenn Sie Ihre berufliche Zeit<br />

in einer Führungsfunktion betrachten, wie<br />

würden Sie die letzten drei Jahre mit Corona-<br />

Krise, Ukraine-Krieg, Inflation und Teuerung<br />

einordnen?<br />

Ingeborg Freudenthaler: Die letzten drei<br />

Jahre haben so ziemlich alles auf den Kopf gestellt.<br />

Die Frage wird sein, wie gut wir diese<br />

Herausforderungen, die sich uns gestellt haben<br />

und noch stellen werden, meistern. Deshalb<br />

habe ich noch keine Einordnung. Ich<br />

weiß, dass gerade Kinder und Jugendliche<br />

eher auf der Strecke geblieben sind. Ich weiß,<br />

dass die Kurzarbeit so manchen die Lust an<br />

einer 40-Stunden-Woche genommen hat.<br />

Ich weiß, dass wir uns weiter von einer Leistungsgesellschaft<br />

entfernt haben. Ich weiß,<br />

dass Europa immer weniger wettbewerbsfähig<br />

wird etc. Ich weiß aber auch, dass wir<br />

Unternehmer immer positiv denken und die<br />

Ärmel aufkrempeln und Kampfgeist zeigen.<br />

Also, Angst habe ich keine.<br />

Mitarbeiter<br />

Ingeborg Freudenthaler, Geschäftsführerin des<br />

Entsorgungsunternehmens Freudenthaler.<br />

<strong>ECHO</strong>: Das Mitarbeiterthema beschäftigt<br />

viele Unternehmen, sei es, weil sie zu wenige<br />

Mitarbeiter finden, sei es durch die Veränderungen<br />

am Mitarbeitermarkt?<br />

Freudenthaler: Wir suchen LKW-Fahrer,<br />

Bagger- und Radladerfahrer, Lagerarbeiter –<br />

im Bereich der Angestellten seit einem Jahr<br />

einen Techniker. Es melden sich sehr wenige<br />

Bewerber, gerade im gewerblichen Bereich.<br />

Kleines Beispiel von letzter Woche: Das<br />

AMS hat uns zehn Personen für Beifahrer<br />

zugeteilt, angerufen haben zwei, gekommen<br />

ist einer und der hat sich dann auch nie mehr<br />

gemeldet. Ich sehe das Problem – auch als<br />

sehr sozial eingestellter Mensch – in der sozialen<br />

Hängematte. Das Arbeitslosengeld und<br />

ein bisschen Pfusch reicht, um nicht arbeiten<br />

gehen zu müssen. Leistung lohnt sich einfach<br />

zu wenig. Dass Dinge wie Lohnnebenkosten<br />

senken, mehr Gestaltungsraum für den<br />

Arbeitgeber in Übereinstimmung mit dem<br />

Mitarbeiter bei den Arbeitszeiten etc. schon<br />

längst fällig wären, versteht sich von selbst<br />

<strong>ECHO</strong>: Womit punkten Sie als Arbeitgeber?<br />

Freudenthaler: Wir bieten unseren Mitarbeitern<br />

sehr viele Dinge, z. B. ein dreigängiges<br />

Mittagessen um drei Euro, viele Weiterbildungsmöglichkeiten,<br />

wir zahlen den LKW-<br />

Schein und den Staplerschein, es gibt täglich<br />

Obst, wir haben Firmenfeiern, es gibt Geburtstags-,<br />

Oster- und Weihnachtsgeschenke,<br />

wir zahlen jetzt selbstverständlich eine Teuerungsprämie.<br />

Bei privaten Schwierigkeiten<br />

helfen wir, ich setze mich persönlich bei gesundheitlichen<br />

Problemen der Mitarbeiter<br />

ein und organisiere Arzt- und Physiotermine,<br />

ja, wir haben einem Fahrer sogar die private<br />

OP der Hand bezahlt, weil er auf eine Kassen-<br />

OP drei Wochen warten hätte müssen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Gibt es Überlegungen, eine Vier-<br />

Tage Woche zu ermöglichen?<br />

Freudenthaler: Eine Vier-Tage-Woche haben<br />

wir bereits bei einigen Fahrern. Ich sehe<br />

dies aber im Gesamten als sehr schwierig an.<br />

Die Menschen wollen sieben Tage in der Woche<br />

bedient werden. Hätten wir genügend Arbeitskräfte,<br />

wäre das natürlich auch mit einer<br />

Vier-Tage-Woche möglich. Nachdem es aber<br />

österreichweit zu wenige Arbeitskräfte gibt,<br />

sehe ich das als großes Problem.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Maßnahmen ergreifen Sie,<br />

um Mitarbeiter zu bekommen?<br />

Freudenthaler: Wir arbeiten mit den klassischen<br />

Dingen, um Mitarbeiter zu bekommen,<br />

zahlen aber auch unseren Mitarbeitern<br />

eine Prämie, wenn sie uns einen neuen Mitarbeiter<br />

bringen. Ich habe mich sehr um die<br />

Modernisierung und Bekanntmachung unseres<br />

Lehrberufs bemüht. Hier sind wir auch<br />

schon recht gut unterwegs und haben zwei<br />

Lehrlinge, die super sind.<br />

Energie<br />

<strong>ECHO</strong>: Mussten oder müssen Sie Aufträge<br />

ablehnen aufgrund fehlender Mitarbeiter?<br />

Freudenthaler: Bis jetzt mussten wir keine<br />

Aufträge ablehnen aufgrund Personalmangel.<br />

Ich habe aber keine Ahnung, was kommt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie geht es Ihrem Unternehmen<br />

mit der derzeitigen Energiesituation?<br />

Freudenthaler: Wir haben jetzt eine<br />

weitere Photovoltaikanlage umgesetzt und<br />

können mittlerweile 30 Prozent der Energie,<br />

die wir brauchen, daraus gewinnen. Wir hinterfragen<br />

unseren Energieverbrauch laufend<br />

und optimieren, wo es geht. Mit Stand Energiepreis<br />

Mitte September hätten wir 2023<br />

Mehrkosten von 250.000 Euro. Schauen<br />

wir einmal, wie es weitergeht. Den ständigen<br />

Schrei nach staatlicher Hilfe sehe ich<br />

als gefährlich an. Der Staat ist nicht für alles<br />

verantwortlich. Es hat auch früher härtere<br />

Zeiten gegeben.<br />

Fotos: Freudenthaler<br />

56 <strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2022</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!