09.05.2023 Aufrufe

ECHO Top500 2022

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

TOP 500 | INTERVIEW<br />

Das Ende von „schneller,<br />

höher und weiter“?<br />

Interview. Armin Schneider, Direktor der Oesterreichischen Nationalbank West, über die<br />

Teuerung und deren Auswirkungen, die Entwicklungen der Zinsen und des Immobilienmarkts<br />

sowie die unbegründete Sorge vor dem Ende des Bargelds.<br />

<strong>ECHO</strong>: Die Teuerung beunruhigt<br />

die Menschen sehr. Wie beurteilt<br />

die OeNB die Lage?<br />

Armin Schneider: Wir verstehen<br />

die berechtigten Sorgen der Menschen<br />

und wiewohl die Europäische<br />

Zentralbank nicht die einzige<br />

Institution ist, die hier die Rahmenbedingungen<br />

beeinflussen kann, hat<br />

sie heuer schon mit einem Zurückfahren<br />

der Liquiditätsbereitstellung<br />

und mehrmaligen Zinserhöhungen<br />

reagiert, um der Entwicklung gegenzusteuern.<br />

Es ist davon auszugehen,<br />

dass noch weitere geldpolitische<br />

Schritte folgen werden, wiewohl<br />

das Zinsniveau auch dann noch<br />

historisch betrachtet nach wie vor<br />

niedrig ist. Die aktuell unerfreulich<br />

hohe Inflationsrate wird durch viele<br />

Faktoren beeinflusst. Der Krieg samt<br />

Lieferkettenproblemen ist aber nicht<br />

der einzige Treiber. Die Preise haben<br />

schon im Vorjahr aufgrund von<br />

Nachholeffekten und höherem Konsum nach<br />

der Pandemie anzuziehen begonnen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Was kann das für die Tiroler Wirtschaft<br />

bedeuten?<br />

Schneider: Wir sind jahrzehntelang einem<br />

immer „Schneller, höher und weiter“-Grundsatz<br />

gefolgt und müssen möglicherweise anerkennen,<br />

dass in Anbetracht einer geringeren<br />

Verfügbarkeit von Arbeitskräften, eines stark<br />

wachsenden Anteils an Pensionisten, geänderter<br />

Interessen der Kunden, eines Klimawandels<br />

und deutlich höherer Kosten, vor allem<br />

Armin Schneider,<br />

Direktor der<br />

Oesterreichischen<br />

Nationalbank West<br />

auch im Tourismusbereich, Downsizing auch<br />

ein realistisches Szenario sein wird müssen, um<br />

auf die aktuellen Rahmenbedingungen adäquat<br />

zu antworten, konkurrenzfähig zu bleiben und<br />

betriebswirtschaftlich sinnvoll zu agieren. Ebenso<br />

wird man sich vom jahrelang praktizierten<br />

„Just in time“-Szenario verabschieden müssen.<br />

Abgesehen davon, dass Transportwege nach<br />

wie vor zu günstig sind. Ob Gratis-Retouren<br />

und ungefragtes Werbematerial im Postkasten<br />

noch dem Zeitgeist entspricht, wird man hoffentlich<br />

auch über kurz oder lang hinterfragen.<br />

Im touristischen Bereich ist sehr gut erkennbar,<br />

dass die Menschen kurzfristiger<br />

buchen und kürzere Wege<br />

bevorzugen. Daher wird der<br />

inländische Gast künftig mehr<br />

Aufmerksamkeit und Wertschätzung<br />

bekommen müssen.<br />

Dies auch insbesondere<br />

in Anbetracht einer nahenden<br />

Rezession in unserem Hauptmarkt<br />

Deutschland.<br />

<strong>ECHO</strong>: Sie waren gerade bei<br />

einem Unternehmertreffen in<br />

der Ostschweiz. Haben Sie da<br />

Unterschiede zu Österreich<br />

wahrgenommen?<br />

Schneider: Ja, sehr große. Die<br />

wirtschaftlichen Herausforderungen<br />

sind die gleichen. Die<br />

Inflation beträgt zwar nur ein<br />

Drittel der Eurozone, wird aber<br />

von den Schweizern selbst als<br />

extrem hoch empfunden.<br />

Dafür sehen sie sich mit einer<br />

stark aufwertenden Währung konfrontiert, die<br />

ihre Position am Markt deutlich beeinträchtigt.<br />

Es würde aber einem Schweizer in keiner Phase<br />

in den Sinn kommen, nach der Hilfe des Staates<br />

zu rufen, weder nach Energiepreisdeckeln noch<br />

nach Teuerungsausgleichen oder erhöhten Kilometergeldern.<br />

In deren DNA ist die Eigenverantwortung<br />

eine gelebte Selbstverständlichkeit<br />

und in der Wertekultur ganz oben. Ein Eingriff<br />

des Staates müsste einen deutlichen Mehrwert<br />

bringen, sonst wird er abgelehnt. Einen geordneten<br />

Staatshaushalt sehen sie als erstrebenswertes<br />

Gut und als Verpflichtung an, analog zu<br />

Fotos: Ascher<br />

32<br />

<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2022</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!