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ECHO Top500 2022

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Fotos: AK/Friedle<br />

<strong>ECHO</strong>: Die Gehaltsverhandlungen sind<br />

gerade im Laufen. Die Gewerkschaften<br />

fordern eine Erhöhung von über zehn<br />

Prozent. Ist diese Forderung Ihrer Meinung<br />

nach angemessen oder überzogen?<br />

Erwin Zangerl: Man muss klar sagen,<br />

dass hier ja auf Basis der Inflation der vergangenen<br />

zwölf Monate verhandelt wird.<br />

Und auf Basis dieser Entwicklung will man<br />

versuchen, die Lohneinbußen aufzuholen,<br />

was ja nicht möglich sein wird. Letztlich<br />

bildet sich in den Lohnverhandlungen<br />

nur die Vergangenheit ab, die Zukunft<br />

wird aber weit schwieriger werden. Die<br />

Inflation wird, laut Experten, weiter steigen.<br />

Der Reallohnverlust in Österreich,<br />

der mit 4,2 Prozent weit über dem EU-<br />

Durchschnitt liegt, ist ohnehin der größte<br />

Verlust seit Beginn der Analyse im Jahr 1955<br />

und diese Entwicklung würde sich sogar bei<br />

dem geforderten Lohnabschluss von 10,6 Prozent<br />

nicht wesentlich verbessern. Dabei hinkt<br />

Österreich bei den Löhnen ohnehin hinterher.<br />

Eines muss aber auch der Wirtschaft klar sein:<br />

Reallohnverlust heißt Kaufkraftverlust. Und<br />

es bedeutet, dass sich aufgrund der Teuerung<br />

immer mehr Menschen das Leben nicht mehr<br />

leisten können. Die hohe Inflation muss ihren<br />

Niederschlag in höheren Löhnen finden. Deshalb<br />

sind diese Forderungen verständlich.<br />

<strong>ECHO</strong>: Sollten die Antiteuerungsmaßnahmen<br />

der Regierung in den Lohnverhandlungen<br />

berücksichtigt werden und damit die<br />

Erhöhungen geringer ausfallen?<br />

Zangerl: Die Erfahrung zeigt ja ohnehin,<br />

dass es immer zu einem Kompromiss kommt.<br />

Noch nie wurde die ursprüngliche Forderung,<br />

mit der die Arbeitnehmervertreter in<br />

Verhandlungen gingen, erfüllt. Außerdem<br />

haben sich die Arbeitnehmervertreter in den<br />

schwierigen Corona-Jahren überaus fair verhalten<br />

und haben keinen Arbeitskampf vom<br />

Zaun gebrochen, obwohl diese Jahre für hunderttausende<br />

Beschäftigte massiv belastend<br />

waren. Wenn die Regierung nun Soforthilfen<br />

ausschüttet, das meiste davon ohnehin in<br />

Form von Einmalzahlungen, warum sollte<br />

sich das auf die Lohnverhandlungen auswirken?<br />

Es ist doch ein gravierender Unterschied,<br />

wenn sie Monat für Monat 100 Euro<br />

netto weniger verdienen, nur weil sie einmalig<br />

einen 500-Euro-Bonus bekommen haben.<br />

Dieser Bonus verpufft ja ohnehin angesichts<br />

der enormen Teuerungswelle innerhalb kürzester<br />

Zeit und ist nur als Soforthilfe zu verstehen,<br />

die noch dazu ungerecht verteilt ist. Was<br />

den Menschen aber wirklich helfen würde, ist<br />

mehr Lohn auf ihrem Konto.<br />

<strong>ECHO</strong>: Zahlreiche Unternehmen suchen<br />

Mitarbeiter und können diese offenbar nicht<br />

finden, sowohl im<br />

Bereich der Facharbeiter<br />

als auch<br />

bei ungelernten<br />

Arbeitskräften.<br />

Kann die Politik<br />

überhaupt etwas<br />

dagegen tun?<br />

Zangerl: Dass<br />

die Politik oder der Staat in den geheiligten<br />

Markt eingreifen, gilt ja gerade in der Wirtschaft<br />

als verpönt. Umso interessanter ist es,<br />

dass ausgerechnet von ihr immer der Ruf nach<br />

einem Eingreifen kommt, wenn Feuer am<br />

Dach ist, so auch beim Arbeitskräftemangel.<br />

Letztlich legt ja die Politik die Rahmenbedingungen<br />

für diesen „Markt“ fest. Das reicht<br />

von wie hoch ich den Faktor Arbeit besteuere,<br />

wie gründerfreundlich das System ist, wieviel<br />

Bürokratie wirklich notwendig ist, bis hin zu<br />

den Arbeitsrechtsgesetzen. Und sie kann natürlich<br />

in den Markt eingreifen, was sie ja auf<br />

die eine oder andere Weise ständig macht bzw.<br />

gemacht hat. Die Frage ist nur, ob das zum<br />

Wohl vieler geschieht oder nur zum Wohl<br />

einer kleinen Klientel. Das macht den Unterschied.<br />

Aber eigentlich ist es Aufgabe der<br />

Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen,<br />

von denen möglichst viele profitieren.<br />

„Wir haben bereits im Dezember<br />

2021 Vorschläge gemacht, wie<br />

gegen die Teuerung vorgegangen<br />

werden kann.“<br />

Erwin Zangerl<br />

<strong>ECHO</strong>: Ist Zuwanderung ein Mittel, um<br />

mehr Arbeitskräfte zu finden?<br />

Zangerl: Zuerst sind die Hausaufgaben<br />

innerhalb Österreichs zu machen. Wir<br />

haben hier in Wirklichkeit ein großes Arbeitskräftepotenzial,<br />

seien es ältere Arbeitnehmer<br />

oder die große Zahl jener, die in<br />

Teilzeit arbeiten. Es geht hier um die Rahmenbedingungen,<br />

die sich ändern müssen,<br />

etwa die Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie. Es braucht steuerliche Anreize,<br />

um auf Vollzeit umzusteigen, Qualifizierungsmaßnahmen<br />

oder mehr Möglichkeiten<br />

für Frauen, die ja großteils auch für<br />

die Erziehung bzw. Pflege Angehöriger verantwortlich<br />

sind. Zum Thema Zuzug nur ein<br />

Beispiel: In Österreich gibt es die Rot-Weiß-<br />

Rot-Karte, die bisher mit soviel Bürokratie<br />

verbunden war, dass nur etwa 5.500 davon<br />

ausgestellt wurden. Ein qualifizierter Zuzug<br />

in diesem Sinne ist zwar für den österreichischen<br />

Arbeitsmarkt unabdingbar, wobei 5.500<br />

Personen den Arbeitskräftemangel in Österreich<br />

nicht beheben<br />

werden, ich<br />

bin aber dagegen,<br />

Menschen zu uns<br />

zu holen, die dann<br />

als Lückenbüßer<br />

für fehlendes Personal<br />

herhalten<br />

müssen, ohne<br />

dass sich innerhalb der betroffenen Branchen<br />

etwas ändert, wie Löhne, Arbeitszeiten oder<br />

die Einhaltung arbeitsrechtlicher Bestimmungen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Was könnte in Tirol gegen die Teuerung<br />

vor allem im Bereich der Energie getan<br />

werden?<br />

Zangerl: Wir haben gemeinsam mit dem<br />

Leiter der Antiteuerungs-Kommission, Anton<br />

Mattle, die Strompreisbremse ins Spiel<br />

gebracht, die letztlich vom Bund umgesetzt<br />

wurde. Diese soll tirolweit einheitlich für<br />

einen niedrigeren Energiepreis sorgen. Ansonsten<br />

wäre die neue Landesregierung gut<br />

beraten, sich beim Energiethema auf einen<br />

breiten Konsens im Landtag zu einigen und<br />

<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2022</strong><br />

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