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ECHO Top500 2022

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TOP 500 | INTERVIEW<br />

unterschiedlich sind, bereichern sie unser<br />

Unternehmen.<br />

Nachhaltigkeit<br />

<strong>ECHO</strong>: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Ihr<br />

Unternehmen?<br />

Mair: Nachhaltigkeit war Teil unseres Gründungsauftrags<br />

1821. Auch wenn es das Wort<br />

damals nicht gab. Aber wir sind genossenschaftlich<br />

organisiert, der Zweck des Unternehmens<br />

ist, für unsere Kunden, die zugleich<br />

Mitglieder des Vereins sind, nachhaltig Nutzen<br />

und Sicherheit zu bieten. Wir haben keinen<br />

Eigentümer, sind nicht auf Gewinnmaximierung<br />

oder Kostenreduktion aus, sondern<br />

haben die Aufgabe, die langfristige Existenz<br />

dieses regionalen<br />

Unternehmens<br />

zu sichern. Vor<br />

nicht allzu langer<br />

Zeit wurden wir<br />

für unseren Weg<br />

durchaus belächelt.<br />

In Zeiten des<br />

Shareholder-Values<br />

wurde solch nachhaltigen<br />

Konzepten<br />

kein langes Leben<br />

bescheinigt – wie übrigens schon mehrfach<br />

in unserer über 200-jährigen Geschichte.<br />

Heute sind plötzlich alle nachhaltig und regional.<br />

Von der EU verordnet, natürlich. Nachhaltigkeit<br />

ist für uns kein Werbegag, keine<br />

zeitgeistige Errungenschaft und auch nicht<br />

auf ein paar schöne Broschüren begrenzt. Die<br />

TIROLER wird auch dann noch nachhhaltig<br />

agieren, wenn es nicht mehr „modern“ ist.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Mobilitätskonzepte gibt es<br />

in Ihrem Unternehmen?<br />

Mair: Über 90 Prozent unserer Mitarbeiter<br />

in Innsbruck kommen mit den öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem<br />

Fahrrad in die Zentrale. In den Kundenbüros<br />

ist dieser Anteil ob der Anforderungen<br />

geringer (hoher Anteil an Außendienst-<br />

Mitarbeitern, auf das Auto angewiesen). In<br />

allen TIROLER-Niederlassungen gibt es für<br />

alle zugängliche Dienstfahrräder, an einigen<br />

Standorten auch E-Bikes und/oder E-Roller,<br />

aktuell rund 20 Prozent unserer Dienst-KFZ<br />

als E-Autos, in der neuen Zentrale (ab 2024)<br />

wird es über 20 E-Parkplätze geben, dann<br />

werden die Dienstautos sukzessive auf E-<br />

Mobilität umgestellt<br />

Veränderung<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie würden Sie die Zeit, in der<br />

wir leben, einordnen? Wird man im Rückblick<br />

von einer „normalen“ Zeit sprechen<br />

oder leben wir<br />

„Wir haben das Glück, viele<br />

tolle junge Menschen zu beschäftigen.<br />

Ich bin überzeugt,<br />

gerade weil ihre Lebenswelten<br />

unterschiedlich sind, bereichern<br />

sie unser Unternehmen.“<br />

Mobilität<br />

in einer Zeit der<br />

Veränderung?<br />

Wie erleben Sie<br />

das selbst?<br />

Mair: Im Rückblick<br />

wird man<br />

vermutlich feststellen,<br />

dass wir<br />

trotz guter materieller<br />

und infrastruktureller<br />

Voraussetzungen nicht in der Lage waren,<br />

flexibel und mutig auf Herausforderungen<br />

zu reagieren. Wir jammern über Krisen<br />

und vergessen, dass wir immer noch zu den<br />

wohlhabendsten Ländern auf der Welt zählen.<br />

Statt anzupacken und mutig neue Wege<br />

zu gehen, fürchten sich zu viele Entscheidungsträger<br />

vor jeder Veränderung. Zu viele<br />

machen sich Sorgen, um die uns ein großer<br />

Teil der Welt beneidet. Ja, die aktuelle Situation<br />

ist belastend, aber doch nichts im Vergleich<br />

zu dem, was große Teile der Welt zu<br />

tragen haben. Oder was die Generationen<br />

vor uns zu tragen hatten. Unsere Großeltern<br />

würden wohl verständnislos den Kopf<br />

schütteln, wenn wir von Wirtschaftskrisen<br />

sprechen, obwohl die Masse der Menschen<br />

in einem Wohlstand lebt, der in den 50ern<br />

Franz Mair, Vorstand TIROLER<br />

und 60ern völlig undenkbar schien. Wir<br />

nehmen die hohen Standards bei Sicherheit,<br />

Gesundheit, Ernährung einfach als gegeben<br />

hin. Unsere größte Krise liegt darin, dass<br />

wir verlernt haben, dankbar für das Alltägliche<br />

zu sein. Und ja, einigen geht es wirklich<br />

schlecht. Auch bei uns. Diejenigen, die<br />

tatsächlich jeden Tag existenzielle Sorgen<br />

haben. Aber statt gezielt dort zu helfen, wo<br />

es wirklich notwendig ist, schütten wir das<br />

Füllhorn über alle aus. Sorgen macht mir daher,<br />

dass ein immer größer werdender Teil<br />

der Bevölkerung offenbar durch Jahrzehnte<br />

des Wohlstands und des ständigen Wachstums<br />

verlernt hat, auf Herausforderungen<br />

mit Tatkraft zu reagieren. Mir fehlt das Anpacken,<br />

das Erkennen des Machbaren, die<br />

Tatkraft. Gesellschaft und Politik klammern<br />

sich verzweifelt an alte Pfründe und wollen<br />

nicht wahrhaben, dass genau das einer der<br />

Haupttreiber ist, warum „nichts weitergeht“.<br />

Der Selbstbedienungsstaat ist längst nicht<br />

mehr finanzierbar, aber wir verteilen weiter<br />

munter Geld, als ob das irgendwo nachwachsen<br />

würde. Und jetzt wundern sich alle<br />

über steigende Zinsen und überbordende<br />

Inflation. Wir verurteilen das Abholzen des<br />

Regenwalds, protestieren gegen den CO 2<br />

-<br />

Ausstoß, aber vor unserer Haustür machen<br />

wir weiter wie bisher. Wir unternehmen<br />

nichts, um unsere Städte und Dörfer für den<br />

bereits spürbaren Klimawandel vorzubereiten,<br />

und betonieren unverdrossen fleißig<br />

eine Grünfläche um die andere zu, ohne zu<br />

fragen, ob es das wirklich braucht. Und zu<br />

viele Menschen jubeln lieber den Eiferern<br />

bei ihren Brandreden zu, als auf Fachleute<br />

und besonnene, mahnende Stimmen zu hören.<br />

Es ist halt angenehmer, dem Märchenerzähler<br />

zu lauschen als der Überbringerin<br />

der schlechten Botschaft. Die Bereitschaft<br />

so vieler Wähler, extremen Populisten zu<br />

folgen, steigt erschreckend an. In der Politik<br />

braucht es in dieser Zeit keine Strahlemänner<br />

und keine rhetorischen Überflieger, sondern<br />

einfach ehrliche Arbeiter. Zu befürchten<br />

ist, dass die social-media-verblendeten<br />

Menschen aber lieber den Rattenfängern<br />

nachlaufen.

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