PDF / 53,9 MB - Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft
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zeitig haben die Fangmengen in den traditionellen Fanggebieten<br />
nicht abgenommen, aber es handelt sich insbesondere bei den<br />
Fängen bei Island um zusätzliche, in bisherigen Managementverhandlungen<br />
nicht berücksichtigte Entnahmen.<br />
Diese Entwicklung in der Makrelenfischerei hatte negative Folgen<br />
<strong>für</strong> das empfindliche Verhandlungsgleichgewicht zwischen der EU<br />
<strong>und</strong> den sogenannten Küstenstaaten Färöer-Inseln, Grönland, Island,<br />
Norwegen <strong>und</strong> Russland. Bei den Verhandlungen werden die<br />
erlaubten Fanganteile <strong>für</strong> Arten ausgehandelt, die weit wandern<br />
<strong>und</strong> ein über die Grenzen der EU <strong>und</strong> der weiteren beteiligten Länder<br />
hinausgehendes Verbreitungsgebiet haben. In der Folge eines<br />
voranschreitenden Klimawandels werden sich die Verbreitungsgebiete<br />
der weit wandernden <strong>und</strong> weit verbreiteten Arten als erstes<br />
ändern. In der Zukunft ist zu erwarten, dass sich Ressourcenkonflikte<br />
zwischen den traditionellen <strong>und</strong> neuen Nutzern, in deren Fanggründe<br />
diese Arten einwandern, verschärfen. Im Zweifelsfall leidet die<br />
Ressource, wie das Beispiel Makrele zeigt, denn <strong>für</strong> diesen Bestand<br />
konnte 2010 keine Einigung erreicht werden <strong>und</strong> somit konnte keine<br />
Höchstanlandemenge definiert werden.<br />
„Darkness falls in mackerel war“ titelte die Fishing News International<br />
(Ausgabe Oktober 2010) angesichts der andauernden<br />
fehlenden Verhandlungserfolge zwischen den beteiligten Parteien.<br />
Es steht zu hoffen, dass zukünftig wieder eine Einigung<br />
erreicht werden kann. Denn nur dann kann ein nachhaltiges<br />
Management <strong>für</strong> die Makrele gewährleistet <strong>und</strong> damit der gute<br />
Zustand des Bestandes beibehalten werden.<br />
1.2 Warum der Fisch dem Kormoran sein Modell leiht<br />
– Why the fish is borrowing its model to the cormorant<br />
Joachim Gröger, Helmut M. Winkler (Uni Rostock), Rodney<br />
Rountree (Uni Massachusetts, USA), Susanne Puls (Uni Rostock),<br />
Ragnar Kinzelbach (Uni Rostock)<br />
Dass der Kormoran (Phalacrocorax carbo sinensis) etwas mit Fischen<br />
zu tun hat, kann man tagtäglich in der Presse verfolgen<br />
<strong>und</strong> mittlerweile auch in wissenschaftlichen Publikationen nachlesen.<br />
Kormoranbe<strong>für</strong>worter <strong>und</strong> -gegner stritten auch (<strong>und</strong> gerade)<br />
im Jahr des Kormorans über Freud <strong>und</strong> Leid durch den<br />
fischenden Binnen- <strong>und</strong> Küstengewässervogel.<br />
Dass sich nun aber auch die Dynamik von Kormoranpopulationen<br />
durch ein „Fischmodell“ beschreiben lässt, ist zwar wissenschaftlich<br />
neu, aber nicht abwegig. Ausgangspunkt hier<strong>für</strong><br />
ist der Wunsch des Ministeriums <strong>für</strong> Landwirtschaft, Umwelt<br />
<strong>und</strong> Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />
(M-V), ein Instrument an die Hand zu bekommen, mit dem<br />
sich objektiver als bisher Szenarien generieren lassen, die den<br />
Effekt verschiedener Kontrolloptionen bzw. -maßnahmen unter<br />
veränderbaren Randbedingungen wiedergeben <strong>und</strong> so ein<br />
szenarienbasiertes Management ermöglichen. Eine dieser Randbedingungen<br />
ist die Vorgabe, stadien- bzw. altersbasierte Untersuchungen<br />
von entsprechenden Effekten durchzuführen. So<br />
soll beispielsweise der Effekt des Abschießens von adulten Tieren<br />
oder der des Entnehmens von bebrüteten Eiern aus bestehenden<br />
Nestern auf die Populationsdynamik analysiert werden können.<br />
Eine andere Vorgabe ist, dass sich die Analyse an Artenschutz-<br />
Bericht des Instituts <strong>für</strong> Seefischerei (SF)<br />
kriterien (IUCN) ausrichten soll, das Auslöschungsrisiko nicht<br />
mehr als 5 % ausmachen darf <strong>und</strong> ein Projektionshorizont von<br />
100 Jahren zugr<strong>und</strong>e gelegt werden soll. Die Entwicklung eines<br />
entsprechenden Managementinstruments solle dabei in zwei<br />
Phasen ablaufen: zunächst ist es notwendig, ein unverzerrtes<br />
populationsdynamisches Kormoran-Modell aufzustellen <strong>und</strong> zu<br />
testen. Erst darauf aufbauend sollte ein Kontrollinstrument entwickelt<br />
werden, das die Generierung von Szenarien unter veränderten<br />
Managementoptionen bzw. Randbedingungen zulässt.<br />
Als ein geeignetes Konzept <strong>für</strong> die Entwicklung einer derartigen<br />
Simulationsumgebung bei entsprechender Kontrolle von<br />
Randbedingungen erscheint die Qualitative Gefährdungsanalyse<br />
(PVA). Die aus der PVA heraus ermittelte Mindestgröße einer Population<br />
ist stets auf einen hinreichend großen Zeitraum (z. B. <strong>für</strong><br />
die nächsten 100, 200 oder mehr Jahre) bezogen. Sie beschreibt<br />
die Mindestanzahl an Individuen, die mit einer festgelegten<br />
Wahrscheinlichkeit das Überleben der Population in einem Gebiet<br />
bestimmter Größe sichert. Zur Abschätzung der Mindestgröße<br />
muss der Zusammenhang zwischen der Größe der Population<br />
<strong>und</strong> der Überlebenswahrscheinlichkeit bekannt sein sowie ein<br />
Modell der Populationsdynamik vorliegen, das die Simulationen<br />
im Projektionszeitraum erst ermöglicht. Die Mindestgröße einer<br />
Population gilt dabei als minimales Einhaltungsziel.<br />
Wir haben uns bei der Abbildung der Kormoran-Populationsdynamik<br />
<strong>für</strong> ein Modell der Kohortenanalyse entschieden, d.h. einen<br />
altersbasierten Modellansatz, wie er in der Fischereibiologie<br />
existiert. Dieser Ansatz geht auf das Lebenstafelprinzip zurück<br />
<strong>und</strong> hat sich in der Praxis, insbesondere bei der Modellierung von<br />
durch den Menschen genutzten Wildtierpopulationen bewährt.<br />
Der Vorteil ist, dass unterschiedliche Managementmaßnahmen<br />
<strong>für</strong> verschiedene Lebensabschnitte unterschiedlich parametrisiert<br />
bzw. modelliert werden können, wenn diese auf bestimmte<br />
Stadien bzw. Altersgruppen eine unterschiedliche Wirkung haben<br />
oder dort ausschließlich anwendbar sind.<br />
Obwohl Kormoran-Häufigkeitsdaten <strong>für</strong> M-V schon seit 1952 vorliegen,<br />
wurden im ersten Schritt <strong>für</strong> eine Anpassung des Modells<br />
die Zahlen der Brutpaare ab 1989 genutzt, weil zu DDR-Zeiten im<br />
Zeitraum davor eine anthropogene Kontrolle der Brutpaarzahl (Eingriffe<br />
z. B. durch Abschuss) erlaubt war. Das änderte sich nach 1988<br />
schlagartig, da dann ein anderes Rechtssystem in M-V galt, das den<br />
Kormoran unter Schutz stellte. Unverzerrte Daten, die das von<br />
Menschen unbeeinflusste Populationswachstum widerspiegeln,<br />
standen also erst seit 1989 zur Verfügung. Da außer der Anzahl<br />
der Brutpaare keine weiteren <strong>für</strong> das zu erstellende Modell verwertbaren<br />
quantitativen Angaben über die Kormoranbestände in M-V<br />
verfügbar waren, wurden Angaben zu wichtigen Populationsparametern<br />
der Literatur entlehnt, <strong>und</strong> zwar aus verschiedenen benachbarten<br />
Regionen (Dänemark, Niederlande, Polen, Finnland etc.).<br />
Dies betrifft u. a. jährliche Angaben über die Zahl der Nichtbrüter<br />
bzw. Vagab<strong>und</strong>en, der im Lande überwinternden Kormorane sowie<br />
weitere wichtige Populationskenngrößen wie Fruchtbarkeit,<br />
Sterblichkeit usw. Letztere wurden allerdings nur als Startwerte verwendet<br />
<strong>und</strong> im Rahmen eines Kalibrierungsprozesses an die lokalen<br />
Gegebenheiten in M-V angepasst. Dazu wurden die Parameter aus<br />
der Literatur mit Hilfe eines numerischen Optimierungsverfahrens<br />
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