PDF / 53,9 MB - Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft
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Bericht des Instituts <strong>für</strong> Seefischerei (SF)<br />
2 Meeresökosysteme<br />
2.1 Über das Wesen der Veränderung - Wie Interventionen<br />
<strong>und</strong> Strukturbrüche in marinen <strong>und</strong> fischereilichen Zeitserien<br />
analysiert <strong>und</strong> illustriert werden können – On the the Na- Nature<br />
of Changes - How Interventions and Structural Breaks in<br />
Marine and Fisheries Time Series may be analysed and illustrated<br />
Joachim Gröger, Martin Missong (Uni Bremen), Rodney Rountree<br />
(Uni Massachusetts, USA)<br />
In Hinblick auf Nachhaltigkeit ist das Entdecken gr<strong>und</strong>legender Zustandsänderungen<br />
bei Ökosystemen – sogenannter Regimewechsel<br />
(auch als Strukturbrüche bezeichnet) – von gr<strong>und</strong>legender<br />
Bedeutung <strong>für</strong> die Vorhersage der Entwicklung eines solchen<br />
Ökosystems, insbesondere, wenn menschliche Eingriffe (Nutzung)<br />
oder Management bzw. Kontrolle eine signifikante Rolle spielen.<br />
Solche Änderungen werden derzeit im Kontext mit dem Klimawandel<br />
diskutiert. Die Erfassung derartiger Ökosystemveränderungen<br />
ist dann kompliziert, wenn das Ökosystem hoch komplex<br />
ist <strong>und</strong> die Veränderung nicht nur einen, sondern verschiedene<br />
Prozesse oder Teilprozesse des Ökosystems betrifft, oder weil die<br />
Form der Veränderung sehr heterogen ist (siehe Abb. 5).<br />
82<br />
Mögliche Formen von Shifts <strong>und</strong> Effekten<br />
Niveau-ändernde Effekte<br />
Trend-ändernde Effekte<br />
Varianz-ändernde Effekte<br />
Abb. 5: Mögliche Typen von Änderungen in einer Zeitreihe. Potential<br />
types of changes within a time series.<br />
Allein unter methodischen Gesichtspunkten erweist sich dann<br />
der Nachweis von Regimewechseln in Ökosystemen schon bei<br />
der Betrachtung eines einzelnen Prozesses als recht anspruchsvoll.<br />
Denn anders als in Standardanwendungen zur Steuerung<br />
z. B. eines industriellen Fertigungsprozesses bei der Produktion<br />
von Schrauben kann im Rahmen einer statistischen Qualitätskontrolle<br />
ein Strukturbruch (bei der Schraubenproduktion z. B.<br />
messbar als Abweichung des Schraubendurchmessers vom Sollwert)<br />
im Ökosystem nicht als Abweichung eines Prozesswertes<br />
von einem a priori gegebenen Sollwert (d. h. bei der Schraubenproduktion<br />
von einem vorgegebenem exakten Schraubendurch-<br />
messer) definiert werden, da solche exakten Referenzwerte in<br />
Ökosystemen nicht existieren bzw. nicht ohne weiteres beobachtbar<br />
sind. Zudem liegen häufig zu wenige Beobachtungen<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung eines Ökosystems vor, so dass hoch parametrisierte,<br />
möglicherweise multivariate Zeitreihenmodelle zur<br />
Bruchpunkterkennung nicht eingesetzt werden können.<br />
In einem gemeinsamen Forschungsvorhaben des Instituts <strong>für</strong><br />
Seefischerei, der Universität Bremen <strong>und</strong> der Universität Massachusetts<br />
wurde deshalb ein iteratives semi-grafisches Verfahren<br />
zum „screening“ ökologischer Zeitreihen entwickelt, das auf verschiedene<br />
statistische <strong>und</strong> (zeitreihen-)ökonometrische Verfahren<br />
zurückgreift, die auch bei geringem Beobachtungsumfang informativ<br />
sind. D. h., es wird ein flexibles „Bruchmodell“ an die zu<br />
analysierende ökologische Zeitreihe angepasst, das mit der modellierten<br />
Bruchstelle (Impuls, Stufe, Steigung, etc.) iterativ „über die<br />
Zeitreihe hinweg läuft“. Die Kunst des Bruchmodells besteht nun<br />
darin, möglichst viele Bruchtypen gleichzeitig darstellen zu können<br />
(siehe hierzu auch Abb. 5). Bei diesem „screening“-Prozess<br />
werden dann simultan bestimmte Prozess-Kenngrößen (Eigenschaften<br />
der Zeitreihe) als Indikatoren quasi „mitgemessen“. Die<br />
Idee dabei ist, nicht nur – wie bisher üblich – isoliert einen einzelnen<br />
Indikator (z. B. einen Mittelwertunterschied vor <strong>und</strong> nach der<br />
möglichen Veränderung) auf einen Strukturbruch hin zu untersuchen,<br />
sondern sich die verschiedenden Eigenschaften (z. B. das<br />
Trendverhalten, das Schwingungsverhalten, Niveau-Unterschiede,<br />
Varianz-Veränderungen, verschiedene Bruchtypen, das Autokorrelationsmuster,<br />
usw.), die eine Zeitreihe normalerweise aufweist,<br />
im Detail anzusehen, um daraus unterschiedliche Kenngrößen als<br />
Bruch-Indikatoren abzuleiten, die dann gemeinsam analysiert <strong>und</strong><br />
dargestellt werden. Im Gegensatz zu Verfahren, die auf der Analyse<br />
eines Einzelmerkmals als Indikator beruhen, stellt das neue<br />
Verfahren die Aussage, ob ein Regimewechsel stattgef<strong>und</strong>en hat,<br />
auf eine wesentlich breitere Basis mit etlichen Indikatoren <strong>und</strong><br />
erlaubt dadurch eine detaillierte <strong>und</strong> zugleich stärkere Aussage<br />
darüber. Dazu wurden nun im Rahmen des o. g. gemeinsamen<br />
Forschungsvorhabens die verschiedenen, resultierenden Prozess-<br />
Kenngrößen bzw. Indikatoren, die jeweils einer Eigenschaft der<br />
Zeitreihe zugeordnet sind, in einer grafischen Darstellung, dem<br />
sogenannten „Shiftogramm“, vereint. Aus dem gemeinsamen<br />
Verlauf dieser Kenngrößen lassen sich dann – im Gegensatz zu<br />
der Betrachtung nur eines einzelnen Indikators – potenzielle<br />
Bruchzeitpunkte in der Historie des Systems besser als mit traditionellen<br />
Ansätzen erkennen. D. h., verschiedene Indikatoren des<br />
Shiftogramms zeigen nicht nur einen möglichen Bruch an einer<br />
bestimmten Stelle gleichzeitig an, sondern das Shiftogramm gibt<br />
gleichzeitig darüber Auskunft, was sich im Verlauf der Zeitreihe<br />
tatsächlich verändert hat (die Steigung, das Niveau, die Varianz,<br />
die Autokorrelation, etc.). Das Shiftogramm besteht aus den folgenden<br />
zehn Einzelkomponenten (= Repräsentation der Indikatoren)<br />
(siehe hierzu exemplarisch auch Abb. 6):<br />
1. Traffic-Light-Plot der untersuchten Zeitreihe (aus Platzgründen<br />
nicht in Abb. 6 dargestellt)<br />
2. Plot der untersuchten Original-Zeitreihe<br />
3. Quality-of-fit-Plot des korrigierten Akaikes Information Kriteriums<br />
(AICC) <strong>für</strong> das angepasste Bruchmodell