Anthroposophie
Anthroposophie
Anthroposophie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Inspirationsauffassung übergegangen ist, mit der dann wiederum eine "nach<br />
Erkenntnis-Ehrlichkeit strebende Theologie... aufzuräumen" hatte. Die "fast<br />
zum Dogma erstarrte Lehre von der Inspiration" zerbröckle "von Tag zu Tag<br />
mehr", schreibt Bock unter Berufung auf den Neutestamentier Adolf Deißmann<br />
(Ev,70f).<br />
<strong>Anthroposophie</strong> soll "die Wiedergewinnung des Inspirationsgedankens" ermöglichen,<br />
weil sie "selber aus lebendiger Inspiration" stammt und "auch<br />
von neuem einen lebendigen und nicht dogmatisch isolierten Inspirationsbegriff"<br />
enthält (ebd). Mit "Inspiration" ist nicht mehr der gesamte Vorgang<br />
gemeint, welcher der Schriftwerdung der Bibel vorausgegangen ist, sondern<br />
eben nur eine Stufe auf dem hellseherischen Erkenntnisweg zwischen<br />
Imagination und Intuition. Bock fährt fort:<br />
"Mit dieser genauen Unterscheidung dessen, was früher einfach in den allgemeinen<br />
Begriff der Inspiration zusammengefaßt wurde, ist außerordentlich viel für das Verständnis<br />
der Evangelien und ihres übersinnlichen Ursprungs gewonnen. Es ist dadurch<br />
vor allem möglich gemacht, die verschiedenen biblischen Schriften und in den einzelnen<br />
Schriften die verschiedenen Teile in ihrem individuellen Charakter voneinander<br />
zu unterscheiden" (Ev,72).<br />
1.1.4 Die unterschiedlichen "Erkenntnisstufen" der biblischen<br />
Verfasser<br />
Diese Unterschiede in und zwischen den biblischen Schriften versucht Bock<br />
dadurch zu erklären, daß die einzelnen Schreiber der Bibel zu unterschiedlichen<br />
Stufen der Erkenntnis aufgestiegen seien. Es habe im Urchristentum<br />
"durch Schicksal und Schulung Menschenseelen" gegeben, in denen "nicht<br />
nur das gewöhnliche Sinnes- und Verstandesbewußtsein Platz hatte, das die<br />
sinnliche Welt spiegelt, sondern dazu ein erhöhtes Bewußtsein, das die<br />
übersinnliche Welt spiegelt... und je nach Schicksal und Schulung unterschieden<br />
sich auch die Bewußtseine der verschiedenen Evangelisten" (Ev,49).<br />
Und das sind nach Bock die Stufen, die die einzelnen Evangelisten erreicht<br />
haben:<br />
"Die ersten beiden Evangelien, nach Matthäus und Markus, zeigen sich als Früchte<br />
des imaginativen Wahrnehmens, weshalb sie in Bildern verlaufen, die gar nicht immer<br />
physische Vorgänge wiedergeben. Sie sind durchaus nicht in erster Linie Berichterstattung<br />
von dem, was sich äußerlich zugetragen hat. Vor allem sind es Bilder, in<br />
denen beschrieben wird, was sich innerseelisch zugetragen hat. Das Lukasevangelium<br />
stammt auch aus der Imagination, aber auf wunderbare Weise strahlt bereits etwas<br />
von Inspiration herein. Ein unmittelbares Logos- und Wortwirken verbindet sich mit<br />
dem bildhaften Element. Das Johannesevangelium ist auch von Imagination durchwoben,<br />
aber überall steigt es sogleich zum inspirativen und am Schluß sogar zum<br />
intuitiven Element auf." 11<br />
122