Anthroposophie
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2. Reinkarnation und Karma - biblische Anklänge<br />
2.1 Anthroposophische Auffassung<br />
"Wiederverkörperung ist, wie Rudolf Steiner immer wieder gesagt hat, nicht<br />
eine Lehre des Christentums, wie es zunächst auf uns gekommen ist" 30 ,<br />
schreibt F. Rittelmeyer. Wiederverkörperung ist somit nach der Selbstaussage<br />
der <strong>Anthroposophie</strong> keine biblische Lehre. Dennoch klinge sie in der Bibel<br />
an, und zwar deshalb, weil "Jesus, wenn er mit seinen Jüngern intim sprach,<br />
die Wiederverkörperung lehrte" (94,214; HddV). Mit den Stellen, die die<br />
anthroposophische Exegese hierzu anführt, werden wir uns in diesem Kapitel<br />
beschäftigen.<br />
2.1.1 Geschichtliche Wurzeln<br />
Die Wiederverkörperung oder Reinkarnation ist nach Ansicht der <strong>Anthroposophie</strong><br />
deshalb keine biblische Lehre, weil die Menschen in alttestamentlicher<br />
und urchristlicher Zeit sie so, wie Steiner sie vertritt, nicht verstanden<br />
hätten (von den "Eingeweihten" des Jüngerkreises abgesehen, die sie aber<br />
für sich behielten).<br />
Zum ersten nämlich gab Steiner der ursprünglich negativen, pessimistischen<br />
Auffassung der Reinkarnation bei Buddha ("Qualvoll ist dies Immerwiedergeborenwerden")<br />
eine positive Wendung. Er schloß sich an Gedanken G.E.<br />
Lessings an, der die Wiederverkörperung neuzeitlich-optimistisch im Sinne<br />
der"Entwickelungsmöglichkeit" des Erdendaseins verstanden und "dieFreude<br />
des Werdens, des Lernens, derein einziges Dasein nicht genugtut", betont hatte.<br />
Lessing legt diese Ansicht in seiner Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts"<br />
dar. Als wichtige Unterschiede zu den fernöstlichen Reinkarnationsvorstellungen<br />
nennt Frieling, daß Steiner keine Verkörperung von<br />
Menschenseelen in Tierleibern vertrete und daß die Reihe der Inkarnationen<br />
"keineswegs endlos" sei. 31 Allerdings hat auch im Buddhismus der Kreislauf<br />
der Wiederverkörperungen einmal ein Ende, nämlich dann, wenn "die Gier<br />
und die anderen Leidenschaften, welche eine Wiederverkörperung herbeiführen,<br />
vernichtet werden" und der einzelne in die "ewige Ruhe des Nirvana"<br />
eingeht. 32 Ähnliches gilt für den Hinduismus. 33 Der wirkliche Unterschied zu<br />
den fernöstlichen Reinkarnationsvorstellungen liegt in der optimistischen Ausrichtung<br />
bei Lessing und Steiner, die -jeder auf seine Art - die Vergeistigung<br />
des Menschen anstreben.<br />
Die optimistische Ausrichtung und die Ablehnung einer Verkörperung in<br />
Tierleibern berührt sich mit der Seelenwanderungsvorstellung im kabbalistischen<br />
Buch Bahir: "In dem ältesten kabbalistischen Text, dem Buch Bahir,<br />
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