Anthroposophie
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Schriften verteilen. Er ist, wie Otto Weber zu Recht feststellt, nicht "etwas<br />
'Göttliches' innerhalb des für uns Denkbaren und Verrechenbaren", das sich<br />
in pantheistischer oder synergistischer Weise vereinnahmen ließe. "Der 'Unterschied',<br />
der zwischen dem Heiligen Geist und allem menschlichen Werk<br />
besteht, ist vielmehr qualitativ. Je entschiedener wir ihn denken, desto weniger<br />
werden wir in Gefahr geraten, ihn positiv oder negativ zu quantifizieren und<br />
in einen innerdimensionalen Unterschied umzuwandeln." 15<br />
Daß die <strong>Anthroposophie</strong> diesen qualitativen Unterschied zwischen Gott und<br />
Welt, zwischen göttlichem und menschlichem Geist nicht wahrt, haben whin<br />
II. B. 1. aufgewiesen. Die Auswirkung auf das Inspirationsverständnis ist<br />
offensichtlich: Läßt sich nämlich aus theologischer Sicht "Inspiration" als<br />
von Gott ausgehender "Erwählungs- und Ermächtigungsvorgang" definieren,<br />
bei dem Menschen "zu einem auf Jesus Christus verweisenden Wort des Zeugnisses"<br />
ermächtigt werden (P. Stuhlmacher) 16 , so kommt die anthroposophische<br />
Auffassung - ganz im Gegenteil dazu - der Selbstbemächtigung einer<br />
höheren, vermeintlich göttlichen Sphäre durch den Menschen gleich.<br />
1.2.2 Die Unhaltbarkeit der anthroposophischen Lehre von den<br />
"Erkenntnisstufen "<br />
Doch wie verhält es sich mit den Unterschieden zwischen den Evangelien?<br />
Um diese zu erhellen, braucht man nicht wie Steiner davon auszugehen, daß<br />
die Evangelisten verschiedene Stufen des Erkenntnisweges erstiegen hätten<br />
oder "aus vier verschiedenen Mysterientraditionen schöpften" (619,112). Die<br />
Unterschiede lassen sich viel einfacher und theologisch begründbar durch<br />
die unterschiedlichen Situationen, in denen die Evangelien entstanden sind,<br />
die unterschiedlichen Zielgruppen, an die sie gerichtet sind, und das unterschiedliche<br />
Quellenmaterial, das ihren Verfassern vorlag (vgl. Lk l,lff), erklären.<br />
17<br />
So weisen z.B. "die strenger jüdische Formulierung der übernommenen Stoffe,<br />
die betonte Aufnahme der 'Erfüllungszitate' und die Einfügung der die bleibende<br />
Gültigkeit des Gesetzes und die besondere Rolle Israels vertretenden<br />
Texte" darauf hin, daß der Verfasser des Mt "in judenchristlicher Tradition"<br />
lebte. 18 Hingegen war der Verfasser des Lk "Heidenchrist", was sich u.a.<br />
daraus ergibt, "daß charakteristische Überlieferungen über den Kampf Jesu<br />
gegen das pharisäische Gesetzesverständnis bei ihm ebenso fehlen, wie<br />
palästinische Züge zu hellenistischen abgeändert sind" 19 . Das Joh als spätestes<br />
Evangelium kann auf die Existenz der anderen Evangelien und einen<br />
höheren Grad theologischer Reflektion zurückblicken. Seine Interpretation<br />
des Weges Jesu ist somit "ungleich intensiver als in den Synoptikern" 20 .<br />
Die anthroposophische Verteilung der biblischen Schriften auf die Stufen<br />
von "Imagination", "Inspiration" und "Intuition" preßt die Schriften und ihre<br />
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