Anthroposophie
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isierung einer theologischen Richtung insgesamt, die im 19. und beginnenden<br />
20. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte und als "Ära Schleiermacher-<br />
Harnack" umschrieben werden kann. 2 Die hervorstechenden Kennzeichen,<br />
die ihre Vertreter einen, sind: ein freies, undogmatisches Verhältnis zum Christentum<br />
und zur Heiligen Schrift, die Betonung der natürlichen Vernunft des<br />
Menschen, die Offenheit für philosophische Systeme und die Ergebnisse und<br />
Methoden der historischen und philologischen Wissenschaft. Damit stehen<br />
diese Vertreter der "liberalen", "modernen", "wissenschaftlichen" oder "spekulativen"<br />
Theologie im Gegensatz zu den "positiven", "kirchlichen", "gläubigen"<br />
oder "orthodoxen" Theologen, wie die gängigen Bezeichnungen lauteten.<br />
3 Die Situation hat sich allerdings durch die Dialektische Theologie im<br />
20. Jahrhundert ganz erheblich geändert und die Fronten haben sich dadurch<br />
wesentlich verschoben.<br />
Die Kritik der anthroposophischen Autoren bezieht sich - neben und mit den<br />
bereits im biographischen Teil (I.) genannten Abgrenzungen - insbesondere<br />
auf die "exoterische" Bibelübersetzung, die Quellenscheidung, die Leben-<br />
Jesu-Forschung und die "Christus-Forschung". In dieser Reihenfolge betrachten<br />
wir nun diese Kritik.<br />
1.1 Exoterische Bibelübersetzung<br />
Nach anthroposophischer Ansicht wurde durch "exoterische" Übersetzungen<br />
nicht nur die geistige Fülle der Bibel preisgegeben, sondern auch die "Bibelkritik"<br />
der liberalen Theologie vorbereitet (vgl. 131,2070- Diese "Exoterisierung"<br />
begann bereits mit der "griechischen" (s.u.) und lateinischen Übersetzung<br />
des Hieronymus und wurde durch Luthers deutsche Übersetzung<br />
fortgeführt: "Luther hatte kein Verständnis mehr für das esoterische Prinzip,<br />
das Mysterienprinzip, das man bis dahin der Bibel gegenüber angewandt hatte<br />
... er mußte die Bibel nicht nur exoterisieren, er mußte sie sogar popularisieren",<br />
meint Emil Bock. Dadurch aber habe er sie "ins Bloß-Seelische, Menschliche<br />
verkleinert... das Geistige darin bleibt ihm fremd". Seiner Übersetzung liege<br />
die lateinische Bibel des Hieronymus zugrunde, "die schon die farbige Geistigkeit<br />
... der griechischen Bibel nicht mehr hatte. Und so ist die Lutherbibel eine<br />
seelische Formulierung geistigerTexte.". Nach Bock wares "unvermeidlich,<br />
daß sich schon bald eine intellektuelle Theologie über die biblischen Schriften<br />
hermachte ... Die Bibelkritik entstand" 4 . - Steiner selber drückt diese<br />
Auffassung so aus:<br />
"... mit der Popularisierung der Evangelien entstand auch zugleich das große Mißverständnis:<br />
das Trivialnehmen und dann all das, was das neunzehnte Jahrhundert<br />
aus den Evangelien gemacht hat, was ja, rein objektiv sei es gesagt, schlimm genug<br />
ist, daß es geschehen ist" (131,207).<br />
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