Anthroposophie
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zu fremdreligiösen (insbesondere hinduistischen, gnostischen, stoischen und<br />
kabbalistischen) Systemen auf, nicht aber zum jüdisch-christlichen Gottesglauben.<br />
Von daher ergibt sich, daß der Gebrauch bestimmter Bibelstellen als<br />
Meditationstexte mit dem Ziel, sich der "göttlich-geistigen Welt" zu bemächtigen,<br />
aus biblisch-theologischer Sicht nur als Mißbrauch betrachtet werden<br />
kann (III.A.2.).<br />
Einen letzten Versuch, die Autorität der Steinerschen "Offenbarungen" zu<br />
begründen, unternimmt die anthroposophische Exegese, indem sie einen zeitlich<br />
nicht gebundenen fortschreitenden und direkten Offenbarungsempfang<br />
behauptet. In dessen Verlauf sei die Offenbarung der biblischen Schriften<br />
nur als eine zeitbedingte und bezüglich deren Gültigkeit relative Offenbarung<br />
zu sehen.<br />
Eine solche Relativierung steht jedoch im Widerspruch zu den Aussagen der<br />
biblischen Schriften selbst. In diesen ist - in einer abgeschlossenen Offenbarung<br />
- der gesamte "Plan" Gottes zum Heil seiner Geschöpfe festgehalten<br />
(Cullmann) 161 . Wort und Geist sind eine Einheit. Die in der Bibel niedergelegte<br />
"Grundtradition" (Joest) 162 ist der Maßstab, an dem sich alle "neuen<br />
Offenbarungen" auf ihre Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung hin<br />
überprüfen lassen müssen (III.A.3.).<br />
Die Frage nach der Übereinstimmung haben wir im letzten Teil (III.B.) anhand<br />
zentraler Themen aus der Gotteslehre (1.), der Soteriologie (2.), der<br />
Christologie (3. und 4.) und anderen Bereichen (5. und 6.) gestellt. Anzuerkennen<br />
ist, daß Christus für die <strong>Anthroposophie</strong> eine zentrale Bedeutung<br />
besitzt und daß es ihr um die Wiedergewinnung göttlicher Transzendenz geht.<br />
Jedoch ist die Unterschiedlichkeit, ja oft Gegensätzlichkeit zwischen biblischen<br />
undanthroposophischen Aussagen unübersehbar. Vor allem hat sich gezeigt:<br />
Der "Christus Jesus" der <strong>Anthroposophie</strong> ist nicht der Jesus Christus der<br />
Heiligen Schrift. Rudolf Steiner und seine Schüler verkündigen einen anderen<br />
Gott, einen anderen Christus, eine andere Erlösung und ein anderes Evangelium<br />
(vgl. Gal 1,6). <strong>Anthroposophie</strong> hat mit dem christlichen Glauben gewiß<br />
manche Begriffe und Vorstellungen gemeinsam. Sie verfehlt aber völlig die<br />
Grundintention biblischer Offenbarung - die Rechtfertigung des Gottlosen<br />
allein aus Gnaden in Christus - und widerspricht den reformatorischen<br />
particulae exclusivae: solus Christus, sola fide, sola gratia und sola scriptura.<br />
Vom christlichen Glauben bleibt sie trotz ihrer Liebe zu den biblischen Texten<br />
und manchen Berührungspunkten durch einen Graben getrennt.<br />
Die Überprüfung der methodischen und weltanschaulichen Grundlagen der<br />
<strong>Anthroposophie</strong> ergibt somit folgendes Ergebnis: Das anthroposophische<br />
Bibelverständnis ist aus dem berechtigten Anliegen heraus entstanden, die<br />
Exegese aus einer (mancherorts) rein diesseitigen, "materialistischen" Betrachtungsweise<br />
der Heiligen Schrift herauszuführen und einen neuen Zugang<br />
zur göttlichen Transzendenz zu gewinnen. Diesem Anliegen werden ihre Be-<br />
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