Anthroposophie
Anthroposophie
Anthroposophie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ewegung nahegetreten" war (Lebensbegegnung, 84). Seinen inneren Anschluß<br />
an Steiner datierte er auf das Jahr 1912 (ebd). In Berlin geriet<br />
Rittelmeyer bald in theologische Isolation und in Gegnerschaft zu den Vertretern<br />
der liberalen Theologie, insbesondere zu seinem ehemaligen (und<br />
inzwischen geadelten) Lehrer Adolf von Harnack, der "für 'Mystik' im Grund<br />
gar kein Organ hatte" (37Off).<br />
Die Loslösung Rittelmeyers von der liberalen Theologie war allerdings bereits<br />
im Jahre 1910 erstmals in der Öffentlichkeit deutlich zum Ausdruck<br />
gekommen, als er auf Einladung der "Freunde der Christlichen Welt" seinen<br />
vielbeachteten Vortrag "Was fehltder modernen Theologie?" hielt. Darin warf<br />
erden liberalen Theologen seiner Zeit "selbstgefällige Hypothesenlust" und<br />
"unreife Neuerungssucht" vor (263). Was die Person Jesu betreffe, so werde<br />
bei einemhistorisch-kritischen Verständnis "das eigentlich Gewisse und Große<br />
an ihm, seine unbedingte Gottentschlossenheit... das ganze glühende Gottesleben,<br />
das in ihm war ... lange nicht genug empfunden" (265). Rittelmeyer<br />
forderte demgegenüber eine "neue Menschheit", die mit "Kräften" erfüllt ist,<br />
welche sie "herausheben aus ihrem bisherigen Leben" (265f; HiO).<br />
Nach dem Vortrag, so berichtet Rittelmeyer, stand Ernst Troeltsch auf und<br />
sagte: "Wir haben wieder einmal einen Menschen reden hören, der aus seiner<br />
Haut heraus will, und das kann der Mensch eben nicht!" Rittelmeyer<br />
entgegnete ihm, daß er es sehr wohl könne: "Der Mensch soll gerade aus<br />
einer Haut heraus; und ich will aus meiner Haut und komme auch heraus,<br />
verlassen Sie sich darauf!" (267; HiO).<br />
1.5 Der Erzoberlenker der Christengemeinschaft (1922-1938)<br />
Den Höhepunkt der Auseinandersetzung und den endgültigen Bruch von seiten<br />
der liberalen Theologie signalisiert ein Brief, den Rittelmeyer - bereits<br />
mitten in den Vorbereitungen zur Gründung der Christengemeinschaft stehend<br />
- im Jahre 1921 von A. v. Harnack erhielt. Dieser Brief, den Rittelmeyer<br />
auszugsweise wiedergibt, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:<br />
'"Mythologie habe ich nie verstanden ernst zu nehmen; Primitives mutet mich samt<br />
und sonders so an wie das Schreibtafel-Gekritzel der Abc-Schützen;... die Allegoristik<br />
erscheint mir wie die Ideenflucht von Ekstatischen zu gewünschten All-Einheiten'...<br />
'Eigentlich seid Ihr alle von der gleichen Art, soweit Ihr sie wirklich ernst und subjektiv<br />
wahrhaftig nehmt, ob Ihr Euch nun Joachim von Flores oder Steiner oder<br />
Thiersch oder Rittelmeyer nennt... Euer Phlegma unterscheidet Euch; Euer Spiritus<br />
ist derselbe, und es tut auch nichts zur Sache, ob sich der Eine auf geschichtliche Offenbarung,<br />
der Andere auf Spezialoffenbarung, der Dritte auf seinen weiter ausgreifenden<br />
Verstand, der Vierte auf seine vordringende Erfahrung beruft. Auch das ist nur ein<br />
Kuchen'" (416; HiO).<br />
35