3 - österreichische Gesellschaft für Familienplanung
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Maria Fatima, 43, suchte letztes Jahr Unterstützung<br />
bei MULEIDE, nachdem sie entschieden hatte, dass sie<br />
mit ihrem Partner nicht länger zusammenleben wollte.<br />
Er hatte sie während der Beziehung zwei Jahre lang geschlagen.<br />
»Als ich ihn 1995 kennenlernte, hatte ich einen<br />
Job bei der Eisenbahn und studierte Wirtschaftswissenschaften<br />
an der Universität«, erzählt sie. »Aber in dem<br />
Jahr wurde ich schwanger. Deshalb hat mein Partner mich<br />
gezwungen, meine Stelle zu kündigen und die Schule<br />
abzubrechen. Dadurch bin ich völlig abhängig von ihm<br />
geworden.« Nachdem sie die häusliche Gewalt jahrelang<br />
ertragen hatte, zog Fatima aus und zeigte den letzten<br />
Zwischenfall bei der Polizei an. Die einmal erstattete<br />
Anzeige kann nicht mehr zurückgenommen werden, nicht<br />
einmal, wenn das Opfer darum bittet. Denn das neue<br />
Gesetz erhebt häusliche Gewalt in den Rang einer<br />
»öffentlichen Straftat«.<br />
Ein Grund <strong>für</strong> häusliche Gewalt in Mosambik könne<br />
darin bestehen, dass die Frau <strong>Familienplanung</strong> betreiben<br />
will oder sie ihren Partner bittet, beim Geschlechtsverkehr<br />
ein Kondom zu benutzen, erklärt Chilundo.<br />
Viele Frauen sind sogar der Ansicht, sie hätten die<br />
Schläge verdient. Das hat eine Umfrage zu Demographie<br />
und Gesundheit aus dem Jahr 2003 ergeben. Landesweit<br />
war mehr als ein Drittel der Frauen der Meinung,<br />
Schlagen sei aus verschiedenen Anlässen gerechtfertigt.<br />
Die Bandbreite der angegebenen Gründe reichte von<br />
angebranntem Essen bis zum Verlassen des Hauses ohne<br />
Abschiedsgruß. In ländlichen Gegenden ist die Akzeptanz<br />
der häuslichen Gewalt weiter verbreitet. Sie nimmt ab,<br />
je höher der Bildungsgrad der befragten Frau ist.<br />
Graça Samo ist geschäftsführende Direktorin des<br />
Forum Mulher, einer Gruppe, die sich <strong>für</strong> Frauenrechte<br />
und Entwicklung einsetzt. Sie sagt, die Bildung der<br />
Frauen sei entscheidend <strong>für</strong> die Bekämpfung geschlechtsspezifischer<br />
Benachteiligungen in Mosambik. Doch<br />
Bildung allein könne die Diskriminierungen nicht<br />
be seitigen, wenn nicht zugleich auch die Sozialisation der<br />
Mädchen in Bezug auf ihre Erwartungen verändert werde.<br />
Frauen werde beigebracht, »dass ein Mann die Lösung<br />
52 KAPITEL 4: EINFLUSSFAKTOREN AUF dIE GEBURTENRATE<br />
<strong>für</strong> sie ist«, kritisiert Samo. »Die Stellung einer Frau<br />
bestimmt sich durch einen Mann – den Ehemann, den<br />
Vater, einen Bruder.«<br />
Samo argumentiert, dass nicht nur der Staat und die<br />
NGOs intervenieren müssen, um Chancengleichheit<br />
<strong>für</strong> Frauen und Männer herzustellen, sondern auch die<br />
Familien. Denn die können einen enormen Einfluss<br />
darauf haben, wie Mädchen – und Jungen – sich selbst<br />
und einander in der <strong>Gesellschaft</strong> wahrnehmen. Einerseits<br />
sei es wichtig, Mädchen in ihrer Sozialisation zu ermutigen,<br />
ihre Stärken und Möglichkeiten zu erkennen.<br />
Andererseits sei es genauso wichtig, die Sozialisation der<br />
Jungen zu verändern. Sie müssen schon in jungen Jahren<br />
begreifen, dass von der Chancengleichheit zwischen<br />
Männern und Frauen alle Seiten profitieren.<br />
Jungen bevorzugt<br />
In Indien machen sich Demographen, Medien, Politiker<br />
und viele andere Sorgen über die Bevorzugung von<br />
Jungen. Das hat Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis<br />
und verfestigt die geringe gesellschaftliche<br />
Wertschätzung von Mädchen. Nach den Ergebnissen der<br />
landesweiten Volkszählung von 2011 hat sich das Problem<br />
noch verstärkt. Kamen in der Gruppe der 0 bis 6Jährigen<br />
im Jahr 2001 noch 927 Mädchen auf 1.000 Jungen, ist<br />
die Zahl der Mädchen jetzt auf 914 pro 1.000 Jungen<br />
gesunken. Damit zeigt das aktuelle Geschlechterverhältnis<br />
bei Kindern die größte Diskrepanz seit der Unabhängigkeit<br />
1947. Als Hauptursache dieser Anomalie gelten<br />
illegale geschlechtsselektive Abtreibungen und die zuweilen<br />
tödliche Vernachlässigung von Mädchen nach der<br />
Geburt. Die Anwendung von Ultraschall zur Geschlechtsbestimmung<br />
ist billiger geworden und überall im Land<br />
leichter zugänglich als früher, obwohl das Verfahren<br />
gesetzeswidrig ist.<br />
C. Chandramouli, Oberster Standesbeamter und<br />
Volkszählungskommissar von Indien, hat die Volkszählung<br />
von 2011 geleitet. Er hält diesen Trend <strong>für</strong><br />
äußerst besorgniserregend. Chandramouli sieht darin kein<br />
demographisches, sondern ein soziales Problem. Es wird